Kitt für die Biobanken-Forschung – Chancen für den medizinischen Fortschritt
1. Nationales Biobanken-Symposium: Wissenschaftler werden noch enger zusammenarbeiten
14.12.2012. Die Biobankenbetreiber und -forscher in Deutschland werden künftig noch enger zusammenarbeiten und gemeinsam die Standards für die Qualität und Transparenz der Biobankenforschung vorantreiben. Die Politik begleitet diesen Selbstorganisationsprozess der wissenschaftlichen Community wohlwollend. „Gleichwohl fehlt es noch an einer Finanzierung für eine übergreifende Infrastruktur, die eine nationale Bündelung und Abstimmung der Aktivitäten unterstützen und nachhaltig sichern würde.“ So fasste Prof. Dr. Michael Krawczak, Vorstandsvorsitzender der TMF, den Tenor der Vorträge und Diskussionen beim 1. Nationalen Biobanken-Symposium zusammen, an dem am 12. Dezember 2012 in Berlin etwa 80 namhafte Biobankenforscher sowie Vertreter aus Ministerien und Politik teilnahmen.
„Biobanken haben eine große Bedeutung, beispielsweise in der personalisierten Medizin: In der Krebstherapie basieren sämtliche molekulare Tests, mit denen die Wirksamkeit und Verträglichkeit so genannter gezielter Therapien vorab überprüft wird, um unnötige Behandlungen zu vermeiden, auf wissenschaftlichen Untersuchungen an Geweben aus Biobanken“. Dies betonte der Pathologe Prof. Dr. Manfred Dietel (Charité Berlin) in seinem Vortrag.
Öffentliche Mittel für nationale Biobanken-Infrastrukturen
Auch international wird die Bedeutung von Biobanken für die klinische Praxis, für die Entwicklung neuer Medikamente, für die Gesundheitsökonomie und für das Vertrauen in die biomedizinische Forschung als zentral angesehen. So werden in Schweden, wie in zahlreichen anderen Ländern, mit öffentlichen Mitteln entsprechende zentrale Infrastrukturen aufgebaut. Dies berichtete Dr. Mark Divers, der Leiter der Biobank am Karolinska-Institut in Stockholm/Schweden, der das Symposium als internationaler Referent eröffnete.
Die Referenten und Teilnehmer der Veranstaltung waren sich einig über die zentralen Felder, in denen die Biobanken-Forschung in den nächsten Jahren weiterentwickelt werden muss. Dies erfordere den Aufbau zentraler Infrastrukturen ebenso wie eine eigene Biobanken-Forschung.
Geeignete Biomarker identifizieren
Wissenschaftliche Fragen müssen insbesondere noch für die Phase der Präanalytik – also die Entnahme, die Verarbeitung und den Transport der Bioproben vor der Einlagerung in der Biobank – geklärt werden. Hier gilt es geeignete Biomarker zu identifizieren und auf dieser Basis Standards für eine Dokumentation der Qualität zu entwickeln. „Die Forscher als Nutzer der Proben könnten dann entsprechende Hinweise erhalten und entscheiden, ob die Materialien für ihre spezielle Forschungsfrage geeignet sind“, so PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf (Universitätsklinikum Jena).
Ein sinnvolles Instrument für die Sicherung der Qualität über Projekte und Standorte hinweg könnten Ringversuche sein, wie sie in der Labormedizin schon seit vielen Jahren etabliert sind. Hierauf wies Prof. Dr. Michael Neumaier (Institut für klinische Chemie, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg) hin. Solche Ringversuche auf der Basis aussagekräftiger Biomarker wären ein wichtiger Beitrag für eine evidenzbasierte Nutzung von Biobanken.
Verbindliche Standards und zentrale IT-Infrastrukturen
Vor zehn Jahren gab es nur vereinzelt erste Biobanken, die qualitativ über die Sammlungen einzelner Forscher in den Instituts-Kühlschränken hinausgingen. Empfehlungen zu Standards lagen noch nicht vor. Dies hat sich mit der Zunahme an Fördermaßnahmen für große krankheitsorientierte oder epidemiologische Biobanken seither deutlich geändert, wie Prof. Dr. Peter Schirmacher (Universitätsklinikum Heidelberg) zeigen konnte. Wenngleich noch viele Fragen offen seien, wäre es doch auch an der Zeit, das bisher Erreichte angemessen zu würdigen. Wesentlich sei es nun, die verschiedenen Vernetzungsaktivitäten sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Dazu gehöre auch, die Standard Operating Procedures für die Prozesse in den Biobanken selbst übergreifend zu harmonisieren und verbindlich festzulegen.
Transparenz über die bestehenden Biobanken und dort gesammelte und verfügbare Materialien bietet das Deutsche Biobanken-Register, das als „Herzstück“ einer zentralen IT-Infrastruktur die Sichtbarkeit von Biobanken, Transparenz über den Einsatz von Fördermitteln herstellt und den Grundstein legt für die gemeinsame Erarbeitung von Qualitätskriterien.
Biobanken-Forscher stimmen sich selbstorganisiert ab
Derzeit sei die Arbeitsgruppe Biomaterialbanken der TMF der „Kitt“, der die Zusammenarbeit unterstütze und die Akteure zusammenhalte, erklärte Prof. Dr. Michael Hummel (Charité Berlin). Die intensive, freiwillige und von der TMF unterstützte Kooperation der zentralisierten Biobanken, die im Rahmen der nationalen Biobanken-Initiative seit 2010 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert werden, zeige, dass es möglich ist, Qualitätsstandards, IT-Strukturen oder Unterlagen zur Patienteneinwilligung für Biobanken übergreifend zu harmonisieren.
Mit dem Nationalen Biobanken-Symposium steht nun auch über alle Gruppierungen hinweg ein Forum zur Verfügung, um die wissenschaftlichen und infrastrukturellen Fragen auf nationaler Ebene zu diskutieren und abzustimmen. Das Nationale Biobanken-Symposium wird vom Deutschen Biobanken-Register ausgerichtet. Es fand in diesem Jahr erstmals statt und wird von nun an jährlich als zweitägiger wissenschaftlicher Kongress durchgeführt, zu dem offen eingeladen wird. Als Termin für das 2. Nationale Biobanken-Symposium wurde der 11./12. Dezember 2013 in Berlin festgelegt.
- Pressemitteilung vom 20.12.2012 [pdf | 24 KB]
- Deutsches Biobanken-Register
Programm und Download der Vortragsfolien
- Programmflyer des 1. Nationalen Biobanken-Symposiums 2012 [PDF | 974 kB]
- Building a shared national biobank infrastructure: the Swedish experience
Mark Divers, PhD (Karolinska Institutet, Stockholm, Schweden) [PDF | 6MB]
- Gewebebasiertes Biobanking für die translationale prädiktive Forschung
Prof. Dr. Manfred Dietel (Deutsche Gesellschaft für Pathologie) [PDF | 2MB]
- Biobanking für die Entwicklung innovativer Diagnostik
Prof. Dr. Joachim Thiery (Deutsche Vereinte Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin)
- Biobanking: Rechtliche Vorgaben
Prof. Dr. Jochen Taupitz (Universitäten Heidelberg und Mannheim, Mitglied Deutscher Ethikrat)
- Ethisch-logistische Herausforderungen bei der Implementierung eines Open Consents im Klinik-Kontext
Prof. Dr. Roland Jahns (Universitätsklinikum Würzburg) [PDF | 3MB]
- Liquid-Biobanking: Stand und Perspektiven
PD Dr. Michael Kiehntopf (Universitätsklinikum Jena)
- Tissue-Biobanking: Stand und Perspektiven
Dr. Esther Herpel (Universitätsklinikum Heidelberg) [PDF | 2MB]
- Die Bedeutung von Ringversuchen für die Qualitätssicherung von Biobanken
Prof. Dr. Michael Neumaier (Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg)
- IT für Biobanken "in a nutshell"
Prof. Dr. Frank Ückert (Universitätsmedizin Mainz)
- Yes, we can! Die Nationale Biobanken-Initiative (incl. m4)
Prof. Dr. Michael Hummel (Charité Berlin)
- Das Schwerpunktprogramm Tumorgewebebanken der Deutschen Krebshilfe
Prof. Dr. Guido Reifenberger (Universität Düsseldorf) [PDF |2,5 MB]
- Biobanking in der Nationalen Kohorte und anderen epidemiologischen Studien
Prof. Dr. Dr. H.-Erich Wichmann (Helmholtz-Zentrum München) [PDF | 4 MB]
- Das Projektportal im Deutschen Biobanken-Register und die CRIP-Toolbox
Dr. Christina Schröder (Fraunhofer IBMT) [PDF | 1,5 MB]
- Deutsches Biobanken-Register und bisheriger Aufbau einer Biobanking-Community-Plattform
Sebastian C. Semler (TMF) [PDF | 2 MB]
- Überblick: Biobanking in Netzwerken und in den Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung
Prof. Dr. Peter Schirmacher (Universitätsklinikum Heidelberg)
- Keine nächste Bankenkrise - Plattform statt Rettungsschirm für Deutschlands Biobanken!
Prof. Dr. Michael Krawczak (Biobank PopGen, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein) [PDF | 1,5 MB]
- Warum braucht der Kliniker Biobanken? Chancen für die Zukunft der klinischen Medizin
Prof. Dr. Stefan Schreiber (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein) [PDF | 1,5 MB]
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