„Erst Marke, dann Geld“
Fundraising: klare Analyse und langfristige Organisationsentscheidung nötig
Quelle: Taffi/
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17.06.2013.
Aktives
Engagement der Leitungsebene, ein hoher Bekanntheitsgrad sowie die
Bereitschaft, zunächst zu investieren und sich langfristig zu engagieren: Dies
sind wesentliche Voraussetzungen für ein erfolgreiches Fundraising. Darüber
hinaus ist eine klare Analyse der Ziele und der Zielgruppen unerlässlich. Über
diese Kernanforderungen waren sich alle Referenten des TMF-Workshops zum
Fundraising für medizinische Forschungsverbünde einig, der am 10. Juni 2013
unter der Leitung von Liane Clevert (Centrum für Schlaganfallforschung Berlin)
und Wiebke Lesch (Kompetenznetz Angeborene Herzfehler) in Berlin stattfand.
Fundraising ist im Gesundheitswesen in Deutschland noch weitgehend
Neuland. Es gibt erst wenige erfolgreiche Beispiele. Ziel des Workshops war es,
Vertreter von medizinischen Forschungsverbünden und -einrichtungen in die
Grundlagen des Fundraisings einzuführen, geeignete Rechtsformen darzustellen
und die Möglichkeiten der Kooperation mit privatwirtschaftlichen Unternehmen
auszuloten.
Zielgruppe, Zielgruppe, Zielgruppe
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Dr. Eckard Schenke
(Förderstiftung MHHplus) |
Wichtigste Prämisse für den Erfolg des Fundraisings
sei die aktive Mitarbeit des Vorstands oder Präsidiums sowie eine klare Analyse
der Organisation. Darauf wies Dr. Eckard Schenke, Leiter der Förderstiftung MHH
plus, hin, der in die Grundlagen des Fundraisings einführte. Eine
Stakeholder-Analyse müsse zeigen, welche Personen oder Gruppen mit einer Spendenbitte
angesprochen werden können. Die Grundfrage laute: Welche Personen spreche ich
wie auf welche Frage an? Kurz: „Zielgruppe, Zielgruppe, Zielgruppe“. Aber auch
die „institutional readyness“, also die Bereitschaft einer Organisation, das
Thema langfristig zu verfolgen, sei eine wichtige Grundvoraussetzung.
Die Förderstiftung MHH plus, die 2011 gegründet
worden ist, hat zunächst an der Basis begonnen und spricht mit Mailings entlassene
stationäre Patienten an. Inzwischen wird auch das Erbschaftsmarketing vorangetrieben.
Instrument hierfür ist unter anderem der MHH-Vorsorgetag, eine Veranstaltung,
bei der MHH-Experten über Themen wie Patientenverfügung, Erbrecht und die
Möglichkeit informieren, mit einem Testament zu helfen. Das Vorgehen der MHH sei
in Deutschland zurzeit noch eher ungewöhnlich, in den angelsächsischen Ländern
jedoch schon seit langem üblich, so Schenke. Ein nächstes Ziel der Stiftung sei
die Durchführung einer Großspenderkampagne zur Co-Finanzierung eines Klinik-Neubaus.
Von CSR zu CR: Wandel gestalten
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Mathias Kröselberg
(Agentur Pro bono)
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„Es geht nicht darum, nur kurzfristig Unternehmen
Geld aus der Tasche zu ziehen.“ So formulierte Mathias Kröselberg (Agentur Pro
bono) den Anspruch, langfristige Kooperationen zwischen gemeinnützigen
Organisationen und privaten Unternehmen einzugehen. Während für Kooperationen
bisher meist eine Zielgruppen- und Branchenkongruenz als Voraussetzung gesehen
wurde, ginge es heute zunehmend darum, gemeinsame Werte zu schaffen. Die
Entwicklung gehe von der Corporate Social Responsibility (CSR) zur Corporate
Responsibility (CR): Gesellschaftliches Engagement werde zunehmend als
integraler Bestandteil der unternehmerischen Handlungsfelder gesehen.
Im Bereich der Unternehmenskooperationen überwiege
derzeit das Sponsoring, so Kröselberg. Wichtig sei es, auf der Basis der
eigenen Strategie klare Leitlinien für die Kooperation zu erarbeiten. Er wies
darüber hinaus – und in Übereinstimmung mit allen anderen Referenten des
Workshops – eindringlich darauf hin, dass Fundraising sehr aufwändig ist und
sehr viel, sehr kleinteilige Arbeit bedeutet: „Fundraising ist Ackerbau und
Viehzucht!“
Fundraising ist Beziehungsmanagement
Schirmherren, Freundeskreise, wissenschaftliche
Beiräte: Hochkarätig besetzt können solche Netzwerke den Abstand zu
potentiellen Unterstützern in der Gesellschaft verringern, wie Saskia de Vries
am Beispiel der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) zeigen
konnte. Allerdings müssten diese Kreise auch kontinuierlich gepflegt werden.
Kontinuität sei auch den Spendern gegenüber
unerlässlich. Man müsse beispielsweise eine verlässliche Dankeskultur
etablieren, die sicherstellt, dass jeder Spender direkt eine Rückmeldung erhält.
Für erfolgreiches Fundraising müsse man in Kontakten, Menschen und
Hintergründen denken.
Thema platzieren und Spenden für Projekte einwerben
Benefiz-Veranstaltungen sind ein gutes Instrument, um ein
Thema in der Öffentlichkeit zu platzieren und um Spenden für Projekte
einzuwerben, so Dr. Gaby Allrath, Leiterin Marketing der Deutschen
Diabetes-Hilfe. Seit 2011 findet jährlich die Diabetes-Charity-Gala statt, bei
der unter anderem der Thomas-Fuchsberger-Preis vergeben wird.
Für die praktische Umsetzung sei es wichtig zu
beachten, dass eine solche Veranstaltung in den wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb falle. Die Veranstaltung könne deshalb nicht aus Spenden
finanziert werden, sondern man benötige hierfür wiederum eigenes Sponsoring.
Außerdem kämen Spenden auch im Rahmen einer solchen Veranstaltung nicht von
selbst. Großspenden sollte man bereits im Vorfeld akquirieren und für die Gäste
verschiedene Spendenoptionen schaffen.
Finanzierungs-Mix bringt Stabilität
Die Deutsche Leberstiftung, die ihre Aufgaben aus
dem Kompetenznetz Hepatitis übernommen hat, finanziert ihre Arbeit seit 2011
selbst, wie Geschäftsführerin Bianka Wiebner berichten konnte. Dabei setzt die
Stiftung auf einen Mix aus verschiedenen Geldquellen, was zur Stabilität der
Verbundarbeit beiträgt: von Mitteln für wissenschaftliche Projekte über Spenden
und Sponsorengelder für das HepNet-Symposium bis zu Beiträgen der assoziierten
Personen und Unternehmens-Partner der Deutschen Leberstiftung.
Dabei machen die Beiträge der Partner und
Assoziierten bisher den größten Anteil der Einnahmen aus. „Bei den Spenden ist
noch Luft nach oben“, so Wiebner. Um die Interessensgruppen auf die Möglichkeit
zu spenden hinzuweisen, sei zum Beispiel „Das Leber-Buch“, das sich an
Patienten und allgemein Interessierte wendet, mit einem Aufkleber versehen
worden: „1 € pro Exemplar geht als Spende an die Deutsche Leberstiftung“.
Aktuelle Rechtsänderungen zugunsten von Stiftungen

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Dr. Christoph Mecking
(Rechtsanwalt) |
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Rechtsanwalt Dr. Christoph Mecking (Berlin) betonte
das im Fundraising zumeist geltende Prinzip Schenkung, das Geben ohne
Gegenleistung meint. Dieses sei vom Gesetzgeber steuerlich vergünstigt. Um in
diesem Sinne Fundraising betreiben zu können, ist eine Rechtsform notwendig; der
Gesetzgeber lässt hierfür verschiedene Personengesellschaften und Körperschaften
zu, beispielsweise den Verein, die GmbH, die Aktiengesellschaft oder die
Stiftung. Dabei seien, so Mecking, insbesondere Stiftungen als geeignetes
Instrument zu bewerten, zumal auch aktuelle Gesetzesänderungen diese weiter
begünstigten: So sei zum 1. März 2013 die Frist für die zeitnahe
Mittelverwendung auf zwei Jahre erhöht worden. Auch die so genannte
Geprägeklausel, die den ideellen Bereich und den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb
zueinander ins Verhältnis setzte und eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit
herbeiführen konnte, sei aufgegeben worden.
Die Zahl der Stiftungen habe seit 1990
kontinuierlich zugenommen, sei allerdings seit 2008 etwas rückläufig,
erläuterte Mecking. Dies liege insbesondere daran, dass zunehmend
unselbständige Stiftungen gegründet würden, die zunächst z.B. unter einer
Dachstiftung geführt und teilweise mit dem Tod des Stifters erst rechtlich
selbständig würden. Das Instrument der Stiftung sei insgesamt in den vergangenen
Jahren flexibler geworden, so könnten beispielsweise auch
„Verbrauchsstiftungen“ als Stiftungen auf Zeit gegründet werden, die nach einem
bestimmten festzulegenden Verfahren die Mittel für die Erfüllung des
Stiftungszwecks aufbrauchen.
Wenn, dann richtig
„Wenn man Fundraising machen will, dann richtig“, so
formulierte eine Teilnehmerin ihr Fazit aus dem Workshop. „Langfristig denken,
frühzeitig anfangen“, sagte ein anderer Teilnehmer. Die meisten der vertretenen
medizinischen Forschungsverbünde aus dem Umfeld der TMF haben bisher lediglich
erste Berührungspunkte mit dem Thema oder allenfalls erste Recherche- und
Analyseschritte unternommen. Es sei deutlich geworden, dass dies keine
„nebenher“ zu bewältigende Aufgabe sei, sondern dass sich eine Person ganz um
dieses Thema kümmern sollte. Die Leitungsebene muss mitziehen, und man muss der
Entwicklung mindestens drei, eher fünf Jahre Zeit geben. Einigkeit bestand aber
darüber, dass auch in Deutschland das Thema Fundraising im Gesundheitswesen in
den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen wird.
Download der Vortragsfolien (nur für Mitglieder; Login erforderlich)
- Dr. Eckard Schenke: Grundlagen des Fundraisings [PDF | 1,5 MB]
- Dr. Christoph Mecking: Rechtliche und steuerliche Fragen des Fundraisings [PDF | 360 KB]
- Dr. Gaby Allrath: Best Practice – Benefiz-Veranstaltungen für die Deutsche Diabetes-Hilfe [PDF | 1,2 MB]
- Bianka Wiebner: Best Practice – Kompetenznetz Hepatitis und Deutsche Leberstiftung [PDF | 1,7 MB]
- Mathias Kröselberg: Unternehmenskooperationen für medizinische Forschungsverbünde [PDF | 1,4 MB]
Weitere Informationen
- Programm des Workshops