„Jugendliche reden auf Facebook nicht über Krankheit“
Gesundheitsforschung hat viele Zielgruppen – das Format ist entscheidend
15.11.2013. Das Thema Gesundheit
betrifft fast jeden, Botschaften aus der Gesundheitsforschung sind für
verschiedenste Gruppen interessant – oder sollten es sein. Wissen über die
eigene Erkrankung, die besten Therapieoptionen oder gesundheitsförderndes
Verhalten haben direkten Einfluss auf die gesundheitliche Entwicklung von
Menschen. In einer Session im Rahmen des diesjährigen Forums Wissenschaftskommunikation am 13. November 2013 in Karlsruhe wurde deutlich,
wie wichtig es ist, die Präferenzen der jeweiligen Zielgruppe zu kennen und auf
dieser Basis geeignete Kommunikationsformate zu entwickeln. Die Session war von
der TMF-Arbeitsgruppe Wissenschaftskommunikation initiiert und unter
der Leitung von Dr. Silke Argo (NGFN) konzipiert und organisiert worden.
„Nur zielgerichtete und gute Aufklärung hilft chronisch
Kranken dabei, sich richtig zu verhalten – Patienten bei der Genesung und
Gesunden bei der Vorbeugung“, so formulierte es Monika Landgraf, Leiterin
Presse am Karlsruhe Institut für Technologie (KIT), die die Veranstaltung mit dem
Titel „Gesundheitsforschung hat viele Zielgruppen – das Format ist
entscheidend“ moderierte. Wiebke Lesch, die Sprecherin der Arbeitsgruppe, berichtete
jedoch aus eigener Erfahrung: „Man sollte sich als Kommunikator nicht einbilden, dass man die
Zielgruppe kennt“. Es sei dringend anzuraten, die Botschaften und Formate
in der Zielgruppe zu testen oder sie sogar gemeinsam mit ihr zu entwickeln.
Teenager gestalten Kampagne zu angeborenen Herzfehlern mit
In ihrer Funktion als Leiterin des Bereichs Kommunikation und Marketing des
Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler hat sie bei der Entwicklung der Kampagne
„Kümmere dich um dein Herz“ Jugendliche in den Prozess einbezogen. Diese sorgten
beispielsweise dafür, dass Motive für die Zielgruppe ansprechender gestaltet
wurden. Dies ist wichtig, denn Ziel der Kampagne ist es, Teenager mit
angeborenem Herzfehler dazu zu motivieren, sich mit ihrem Herzfehler
auseinanderzusetzen und notwendige Kontrolluntersuchungen wahrzunehmen. In der
Transitionsphase zwischen Kinder- und Erwachsenenmedizin gingen die Patienten
häufig verloren und manche kehrten erst später mit gesundheitlichen Schäden in das
medizinische System zurück, die vermeidbar gewesen wären, erläuterte
Lesch.
Die Kampagne setzt auf Poster und Postkarten in Kliniken und Praxen
sowie auf die Website des Nationalen Registers für angeborene Herzfehler. Facebook
dagegen werde als Kanal derzeit nicht genutzt, denn „Jugendliche reden auf
Facebook nicht über Erkrankungen – im Gegenteil: das Thema Krankheit wird hier
vermieden oder gar verheimlicht“, so Wiebke Lesch.
Gesundheitsinformationen im Internet auf Basis von Qualitätskriterien
erstellen
Der Krebsinformationsdienst (KID) mit Sitz am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) setzt auf eine
Telefonhotline und ein umfangreichesOnline-Informationsangebot, um Patienten
und Angehörige sowie auch die interessierte Öffentlichkeit über das Thema Krebs
zu informieren. Die hohe Anzahl von Anfragen per E-Mail und Besuchern der
KID-Website bestätigten den allgemeinen Trend zu einer zunehmenden Suche von
Gesundheitsinformationen im Internet, erläuterte Dr. Susanne Weg-Remers, die
den Krebsinformationsdienst leitet. Anliegen des KID sei es deshalb,
verlässliche Gesundheitsinformationen auf Basis von Qualitätskriterien
bereitzustellen, wie sie beispielsweise vom Deutschen Netzwerk für Evidenzbasierte
Medizin formuliert worden sind.
Um neuere Nutzergruppen zu erreichen und direktes Feedback
von den Nutzern zu erhalten, setzt der KID seit einiger Zeit auch auf eine
Facebook-Präsenz. Darüber hinaus wird ein Online-Quiz eingesetzt, um wichtige
Fragen und häufige Fehleinschätzungen rund um das Thema Brustkrebsfrüherkennung
zu adressieren.
Im Wartezimmer nutzbar: App des IGeL-Monitor
Wer bei einem Arztbesuch schon mal ratlos war angesichts der
Frage, ob diese oder jene dringend angeratene „Individuelle Gesundheitsleistung“
(IGeL) nun wirklich sinnvoll ist oder doch eher nicht, der kann sich nun ganz
schnell gleich vor Ort orientieren: Der „IGeL-Monitor“, der im Auftrag des
Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. Anfang
2012 online gegangen ist, bietet seit diesem Jahr auch eine App an, über die
die Informationen mobil abgerufen werden können. Die Informationen der App seien identisch mit denen auf der Website, allerdings fehlten hier die eher
an Fachleute gerichteten Hintergrundinformationen, erläuterte Dr. Christian Weymayr,
der Redakteur des IGeL-Monitors.
Aufgabe des IGeL-Monitors ist es, ärztliche Leistungen, die
nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden müssen, hinsichtlich
ihres möglichen Nutzens und Schadens zu bewerten. Die Informationen sollen als
Grundlage für eine Entscheidungsfindung dienen. Um dem jeweiligen
Informationsbedarf verschiedener Zielgruppen in unterschiedlichen Situationen
Rechnung zu tragen, werden die Informationen auf fünf verschiedenen Ebenen
dargestellt: von einer zusammenfassenden Bewertungsaussage im ersten Satz über
eine kompakte Information in zwei Absätzen über einen ausführlicheren Text, der
die Bewertung begründet, bis hin zu Evidenzsynthese und Ergebnisbericht, die
die Ergebnisse der wissenschaftlichen
Literatur zusammenfassen und die Bewertung für ein Fachpublikum diskutieren.
Die meisten Nutzer läsen jedoch primär die Kompaktinformationen, so Christian
Weymayr. Um auch die Hintergründe der Bewertungen besser vermitteln zu können,
erwäge man derzeit eine Ergänzung des Angebotes durch Kurzvideos.
Genomforschern über die Schulter schauen – komplementäre Angebote für
den Oberstufenunterricht
„Science in Process“ zu zeigen und Schülern die Möglichkeit
zu bieten, Wissenschaftlern bei der Arbeit „über die Schulter zu schauen“ ist
das Ziel der Schulmaterialien, die im Nationalen Genomforschungsnetz (NGFN)
erarbeitet worden sind. Dr. Silke Argo, die die NGFN-Geschäftsstelle leitet,
betonte, dass das Angebot komplementär zu den etablierten Schulmaterialien
konzipiert sei, die die essentielle Aufgabe hätten, konsolidiertes Wissen zu vermitteln. Die Materialien vermitteln komplexe Themen der medizinischen Genomforschung fundiert und trotzdem anschaulich aufbereitet mit Darstellung aktueller wissenschaftlicher Entwicklungen. Die Materialien für Schüler der Sekundarstufe II
trügen dazu bei, die erlernten Grundlagen zu festigen und mit Leben zu füllen.
Für Lehrer stehen ergänzende Unterlagen bereit, mit denen ganze Unterrichtseinheiten geplant werden können. Die
Materialien sind mit Förderung durch das BMBF realisiert worden, teilweise gemeinsam mit
dem Gläsernen Labor Berlin und der Genomxpress-Redaktion.
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Neben
Formaten wie der CD „GENial einfach!“ mit umfangreichen Materialien, dem Magazin
GENOMXPRESS Scholae sowie der Veranstaltung „Tag der Genomforschung“ bietet das NGFN auch einen spielerischen
Zugang zum Thema: Der „Genomic Explorer“ ist ein Computerspiel zum Thema
Humangenomforschung. Die Spieler können hier interaktiv durch den menschlichen
Körper navigieren und beim Lösen von Wissensaufgaben zur Genetik Punkte
sammeln. Alle Materialien erfreuten sich großer Beliebtheit, die
Unterrichtsmaterialien seien mittlerweile fast vergriffen, so Silke Argo.
Interaktives Element
Um die Zuhörer zu aktivieren und auch während der Vorträge einzubinden, kam ein TED-System zum Einsatz: Zu verschiedenen Fragen erhoben die Referenten ein Meinungsbild oder testeten das Wissen der Teilnehmer. Das Wissen über das menschliche Genom erwies sich in dieser Gruppe beispielsweise als sehr gut. Den IGeL-Monitor schätzten die Teilnehmer in der Abfrage als noch kritischer in seinen Bewertungen der geprüften Angebote ein als er tatsächlich ist.
Weiterführende Informationen
- Forum Wissenschaftskommunikation 2013
- TMF-Arbeitsgruppe Wissenschaftskommunikation
- Nationales Genomforschungsnetz (NGFN)
- Karlsruhe Institut für Technologie (KIT)
- Kompetenznetz Angeborene Herzfehler
- Krebsinformationsdienst (KID)
- IGeL-Monitor
- Genomic Explorer des NGFN
Download der Vortragsfolien
- Wiebke Lesch: Auf Facebook bist du doch auch! Wie kann man chronisch kranke Jugendliche erreichen? [pdf | 2 MB]
- Dr. Susanne Weg-Remers: Krebsinformation für Patienten, Angehörige und die Öffentlichkeit – neue Kanäle und Medien [pdf | 1,97 MB]
- Dr. Christian Weymayr: Zugang zu evidenzbasierten Informationen für Patienten mit der IGeL-App [pdf | 600 kb]
- Dr. Silke Argo: GENial
einfach! – Genomforschung für Schüler [pdf | 4,5 MB]