“Gute medizinische Forschung zu ermöglichen, ist ein hoch ethisches Prinzip”
2. Nationales Biobanken-Symposium 2013: Wesentlich ist Schutz der Persönlichkeitsrechte bei gleichzeitiger Machbarkeit und höchster Qualität der Forschungsprojekte
12.12.2013. Biobanken gelten derzeit als die wichtigste
Ressource für den wissenschaftlichen Fortschritt in der Medizin. Zunehmend
werden Biomaterialien wie Blut oder Gewebe und zugehörige klinische Daten in
großen, langfristig angelegten Biobanken gesammelt, wo sie für aktuelle und
künftige Forschungsfragestellungen und Analysen zur Verfügung stehen.
Biomedizinische Forscher und Ethiker sind sich einig darüber, dass die bisher
anerkannten Konzepte einer informierten Einwilligung durch die Probenspender
vor diesem Hintergrund weiterentwickelt werden müssen. "Es ist wichtig,
dass praktische Konkordanz zwischen dem unbedingt notwendigen Schutz der Persönlichkeitsrechte
der Spender von Biomaterialen und den unverzichtbaren und legitimen
Forschungsinteressen von Nutzern von Biobanken realisiert werden kann. Gute
medizinische Forschung zu ermöglichen, ist ein hoch ethisches Prinzip." So
formulierte es Matthias Brumhard, Vertreter der Ethikkommission am Fachbereich
Humanmedizin der Universität Gießen, beim 2. Nationalen Biobanken-Symposium,
das am 11. und 12. Dezember 2013 in Berlin stattfand.
Im Rahmen des Symposiums stellten sich Forscher und Ethiker
der gemeinsamen Diskussion darüber, wie diese „praktische Konkordanz“
hergestellt werden könnte. Bürgerinnen und Bürger haben ebenso ein Recht auf den
Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte wie sie – als Patienten – auch ein Recht auf
Behandlungsmöglichkeiten haben, insbesondere, wenn sie von bisher nicht oder
kaum behandelbaren Erkrankungen betroffen sind. Das bisherige Konzept
des informed consent, also
der auf Information und Aufklärung beruhenden Einwilligung des Patienten in die
Verwendung der von ihm gewonnenen biologischen Proben, setzt voraus, dass die
Materialien für spezifische Forschungszwecke gesammelt und aufbewahrt werden.
Erste Ansätze für einen broad consent
Erste Biobanken, wie beispielsweise die Interdisziplinäre
Biomaterial- und Datenbank Würzburg (ibdw) unter der Leitung von Prof. Dr.
Roland Jahns, haben in den vergangenen Jahren neue, breit gefasste
Patienteninformationen und Einwilligungserklärungen erarbeitet und mit den
zuständigen Ethikkommissionen abgestimmt. Diese Ansätze sind auch in einen
Mustertext für die Patienten- bzw. Probandeninformation und eine entsprechende
Einwilligungserklärung eingeflossen, die im Arbeitskreis Medizinischer
Ethik-Kommissionen erarbeitet wurde. Matthias Brumhard, der Sprecher der
Arbeitsgruppe Biobanken beim Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen ist,
stellte den Mustertext im Rahmen des Symposiums vor.
Bürgerinnen und Bürger als aktive Partner einbeziehen
Wie
der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Prof. Dr. Peter
Dabrock (Universität Erlangen-Nürnberg), darlegte, müssen
Biobanken-Infrastrukturen zwangsläufig wissenschaftlich und technologisch hoch
dynamisch und national wie international stark vernetzt sein. Zugleich ist die
Biobanken-Forschung ohne eine Mitwirkung von Patienten oder Probanden als
Probenspender nicht möglich. Deshalb sieht er die informierte Einwilligung als
notwendige, jedoch nicht hinreichende Bedingung für diesen Forschungszweig an.
Er
plädierte deshalb dafür, Bürgerinnen und Bürger als aktive Partner in den
Forschungsprozess einzubeziehen und mit einem offenen – wechselseitigen –
Diskurs stabiles Vertrauen in die Forschung mit Biomaterialien aufzubauen.
Seiner Auffassung nach „gewinnen Biobanken Vertrauen und Interesse, wenn sie
Probanden als Ko-Manager ihrer Daten begreifen und behandeln“. Probanden
müssten die Möglichkeit haben, die Verwendung ihrer Daten zu einem gewissen
Grad kontrollieren zu können, betonte Dabrock.
Es ist wichtig, die Diskussionen jetzt zu führen
Prof.
Dr. Nils Hoppe vom Centre for Ethics and Law in the Life Sciences an der
Universität Hannover forderte dazu auf, das Konzept des informed consent grundsätzlich zu überdenken: „Der eigentliche Zweck dieses
Konzeptes ist es, ein Werkzeug für den Schutz der Autonomie von Patienten und
Probanden zu sein, und nicht primär, das Haftungsrisiko der Forscher zu
reduzieren. Besinnt man sich darauf, so kann man abweichende Konstrukte entwickeln,
die die Autonomie des Patienten oder Probanden achten und gleichzeitig die
Forschung mit neuen Mitteln und Infrastrukturen, wie z.B. Biobanken, nicht
unverhältnismäßig behindern. Es ist wichtig, diese Diskussionen jetzt zu führen
und nicht unnötig an starren Verfahren festzuhalten, wenn ein gleichwertiger
Schutz auch mit anderen Mitteln erreicht werden kann."
Es
gebe verschiedene Möglichkeiten, um das etablierte Konzept weiterzuentwickeln,
beispielsweise in dem maßgeblich in Oxford entwickelten Modell des dynamic consent, bei dem Materialspender
über soziale Netzwerke an die Biobank gebunden werden und jeweils in die
Verwendung ihrer Materialien in bestimmten Projekten individuell einwilligen
oder sie ablehnen können. Dies sei allerdings enorm komplex und aufwändig und daher
nicht von jeder Biobank leistbar. Auch habe nicht jeder Patient oder Proband
das gleiche Informationsbedürfnis, so dass der Aufwand nicht immer
gerechtfertigt erscheine. Statt einer Regelung auf der Makroebene könnten
deshalb individuelle Arrangements der einzelnen Biobanken mit den Spendern
sinnvoller sein. Sofern das Modell der jeweiligen Biobank transparent sei und
der Proband sich wissend für dieses Modell entscheide, sei die Autonomie des
Individuums gewahrt, so Hoppe.
Auch Qualitätssicherung aus ethischen Gründen wichtig
Deutlich wurde im Symposium, dass auch die
Qualitätssicherung der Proben nicht nur im Interesse der Forscher und ihrer
wissenschaftlichen Arbeiten ist: Sie ist auch aus ethischen Gründen zu fordern,
denn nur, wenn die Ergebnisse der Analysen zuverlässig sind, erscheint es
gerechtfertigt, Patienten oder Probanden um die Spende von Proben zu bitten.
Verschiedene wissenschaftliche Projekte, die auch im Rahmen des Symposiums
diskutiert wurden, erforschen derzeit die Stabilität von Biomarkern bei
unterschiedlichen Temperaturen und Lagerdauern und deren Einfluss auf die
Analyse-Ergebnisse. Auch die Arbeitsgruppe Biobanken des Arbeitskreises
Medizinischer Ethikkommissionen wird sich in nächster Zeit mit Qualitätskriterien
für Biobanken beschäftigen.
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Pressemitteilung vom 12.12.2013 [PDF | 42,4 kB]
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