Konsens über Methodik und Messindikatoren für die Evaluation von Telemedizin gefordert
TELEMED-Workshop im Rahmen der eHealth-Conference 2014 beleuchtete methodische Herausforderungen aus verschiedenen Blickwinkeln
20.06.2014. Die
Evaluation von Telemedizinprojekten und telemedizinischen Services ist nach wie
vor eine methodische Herausforderung. Medizinische Evidenz, ökonomischer Nutzen
und technologisch-organisatorische Nachhaltigkeit sind schwierig zu belegen. Im
Rahmen der eHealth-Conference 2014 in Hamburg haben die TELEMED-Partner (TMF, BVMI, DGG) in
Kooperation mit der GVG am 17. Juni 2014
das Thema in einem Workshop aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet – aus
ärztlicher und technologischer Sicht sowie vom Standpunkt der Kostenträger aus –, um einem begründeten und medizinisch
sicheren Einsatz von Telemedizin zum Wohle der Patienten näher zu kommen.

Noch immer schaffen es viele telemedizinische Projekte
nicht, über die Dauer der Projektförderung hinauszukommen und integraler
Bestandteil der Regelversorgung zu werden. Die während der Projektlaufzeit
erzielten (Evaluations-)Ergebnisse bieten häufig keine ausreichende Entscheidungsgrundlage
für Kostenträger, auf der sie telemedizinische Leistungen in flächendeckende
Versorgungsverträge überführen könnten. Um die Evidenzlage für telemedizinische
Services zu verbessern, hat die eHealth‐Initiative im Jahr 2012 unter
Federführung des Bundesministeriums
für Gesundheit einen
Kriterienkatalog vorgelegt, der als Orientierungshilfe für die Planung, Durchführung
und Evaluation telemedizinischer Projekte dienen soll.
Versorgungsziele sind klar zu benennen
Nach Aussage von Dr. Johannes Schenkel (Bundesärztekammer)
besteht unter den Trägern der e-Health Initiative Konsens darüber, dass bei der
Evaluation telemedizinischer Services Versorgungsziele klar zu benennen seien.
Zudem sollte die Evaluation Wirtschaftlichkeitsaspekte sowie Struktur-, Prozess-
und Ergebnisqualität betrachten. Art und Umfang der notwendigen Evaluation von
telemedizinischen Services könnten jedoch deutlich variieren.
Die besondere methodische Herausforderung bei der Evaluation
von telemedizinischer Patientenversorgung sei der Tatsache geschuldet, dass
diese häufig eine Multilevel-Intervention darstelle. Eine Evaluation der
Einzelkomponenten telemedizinischer Versorgung sei zwar wünschenswert, aber
zeitaufwändig, kostenintensiv und daher häufig nicht realisierbar.
Bisher fehlt ein Konsens über methodischen Standard
Prof. Dr. Björn Bergh (Zentrum für Informations- und
Medizintechnik, Universitätsklinikum Heidelberg) berichtete anhand der Studie
zur Gesundheitstelematik in Baden-Württemberg, dass es sehr unterschiedlich
sei, was im Rahmen der Evaluation von Telemedizinprojekten gemessen werde. Die
Studie hatte per Online-Fragebogen versucht, Informationen zu möglichst allen
Telemedizinprojekten in der Region zu erfassen.
Auch international gebe es diverse Methodenansätze, jedoch
keinen Konsens über einen anzulegenden methodischen Standard. Die Ergebnisse
der Studie zur Gesundheitstelematik in Baden-Württemberg gäben deutliche
Hinweise darauf, dass Telemedizinprojekte, die übergreifende Infrastrukturen
aufgebaut haben und internationale technische Standards nutzen, eine höhere
Nachhaltigkeit zeigen, so Bergh.
Der Mehrwert für die Versicherten muss deutlich werden
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Gregor Drogies erklärte, dass für
die Krankenkasse der Mehrwert
telemedizischer Forschung für die
Versicherten wichtig sei.
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Auf die Perspektive kommt es an – dies zeigte eindrücklich
der Vortrag von Gregor Drogies (DAK Gesundheit). Für die Krankenkasse sei es
wichtig, dass telemedizinische Versorgung einen echten Mehrwert für die
Versicherten darstelle. Die Evaluation müsse zeigen, welchen zusätzlichen
Nutzen und welches für die Krankenkasse relevante Einsparpotenzial Telemedizin
im Vergleich zur Regelversorgung biete.
So sei beispielsweise die Verringerung von Krankenhaustagen
zwar ein für den Patienten relevantes Ziel, habe jedoch keine Auswirkungen auf
die bei der Krankenkasse anfallenden Kosten, da die DRG-Fallpauschale mit der
Krankenhausaufnahme des Patienten anfalle und eine Art „Behandlungs-Flatrate“
darstelle. Die Verkürzung der Krankenhaustage biete allenfalls für das
Krankenhaus finanzielle Vorteile. Dieses Beispiel macht auch deutlich, dass
Einsparungen durch den Einsatz von Telemedizin nicht immer dort wirksam werden,
wo die Kosten entstehen. Für eine Krankenkasse sei es zudem wichtig, dass die
Evaluationsergebnisse zu einem Modellprojekt zeitnah vorliegen, um eine
Entscheidungsgrundlage dafür zu bieten, ob ein Projekt im Rahmen eines
Versorgungsvertrages fortgeführt und überregional angeboten werden kann.
Einsparungen nicht immer dort, wo Kosten entstehen
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Prof. Dr. Hajo Hamer bestätigte,
dass Einsparungen nicht immer dort
möglich sind, wo Kosten entstehen.
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Prof. Dr. Hajo Hamer (Universitätsklinikum Erlangen,
Sprecher des Epilepsiezentrums der Neurologischen Klinik Erlangen) bestätigte
in seinem Vortrag, dass Einsparungen nicht immer dort möglich sind, wo die
Kosten entstehen. So gehe die Epilepsie mit sehr hohen indirekten Kosten
einher, beispielsweise wegen Berufsunfähigkeit und vorzeitiger Berentung, die
nicht bei den Krankenkassen anfielen. Das zeitnahe Erkennen und Behandeln von
Epilepsie habe entscheidenden Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Telemedizin
biete dem Patienten die Möglichkeit, die Expertise eines Epilepsiezentrums
überregional zu nutzen. Bei der Evaluation bestehe vor allem die Schwierigkeit,
verhinderte Ereignisse – wie beispielsweise die Verhinderung von Tod – monetär
zu bemessen.
Kriterienkatalog der eHealth-Initiative ist ein erster wichtiger Schritt
Die Diskussion zu den Vorträgen im gut besuchten,
von Sebastian C. Semler (TMF) moderierten Workshop zeigte, dass ein Bottom-up-Konsensbildungsprozess aller Interessengruppen im Gesundheitswesen notwendig ist, um zu
klären, welche Methodik und welche Messindikatoren für die Evaluation von
Telemedizin herangezogen werden sollen und dann auch von allen Akteuren
akzeptiert werden.
Ein erster wichtiger Schritt wurde mit der Entwicklung eines
Kriterienkatalogs der eHealth-Initiative für die Planung, Durchführung und
Evaluation telemedizinischer Projekte bereits gegangen. Es bedarf jedoch einer
Weiterentwicklung, die Hilfestellung bei der Operationalisierung der Anforderungen
im Papier der eHealth-Initiative in der Praxis bietet. Unterbelichtet erscheinen bislang
insbesondere Kriterien zur Messung der dritten Zielgröße des Kataloges, neben
dem medizinischen Nutzen und einer wirtschaftlicheren Versorgung – der Sicherstellung
einer ausreichenden Versorgung in der Fläche. Diese Anregungen wurden als
Ergebnis des Workshops dem Plenum der eHealth Conference 2014 berichtet. Auf
der diesjährigen TELEMED – im Oktober 2014 – wird die Diskussion zu
Evaluationskriterien fortgesetzt.
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Bundesgesundheitsminister
Hermann Gröhe sprach zur
Eröffnung der eHealth
Conference 2014.
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eHealth Conference 2014: Erwartungen der Patienten einbeziehen
Die diesjährige eHealth Conference am 17. und 18. Juni 2014
stand unter dem Motto „Menschen, Metropolen, Möglichkeiten – bessere Versorgung
durch eHealth“. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe eröffnete die Konferenz
gemeinsam mit Cornelia Prüfer-Storcks (Gesundheitssenatorin der Freien und
Hansestadt Hamburg und Dr. Joachim Breuer (Vorsitzender der Gesellschaft für
Versicherungswissenschaft und -gestaltung e.V., GVG) für die Veranstalter sowie
mit Erik Svedman (Botschafter des Königreichs Norwegen), da Norwegen
Partnerland der eHealth Conference 2014 war. Mit Hamburg ist wiederum das
Bundesland mit dem aktuellen Vorsitz in der Gesundheitsministerkonferenz
Gastgeber der alle zwei Jahre stattfindenden Konferenz.
Ein wesentliches Ziel der Konferenz 2014 war es, verstärkt die
Erwartungen von Patientinnen und Patienten an eHealth-unterstützte
Versorgungsprozesse einzubeziehen und Möglichkeiten der Versorgung durch
Metropolen für ländliche Regionen auszuloten.

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TMF-Geschäftsführer Sebastian
C. Semler stellte die Workshop-
Ergebnisse im Plenum vor.
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Die Vorträge stießen auf großes Publikumsinteresse.
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Vorträge
- Prof. Dr. Bjorn Bergh: Evaluation von Telemedizin am Beispiel der Studie zur Gesundheitstelematik in Baden-Württemberg (Vortragsfolien) [pdf | 2,11 MB]
- Gregor Drogies: Anforderungen der Krankenkassen an die Telemedizinprojekt Evaluation (Vortragsfolien) [pdf | 240 KB]
- Prof. Dr. Hajo Hamer: Netzwerk Telemedizin Epilepsie in Bayern (Vortragsfolien) [pdf | 1,04 MB]
- Dr. med. Johannes Schenkel: Evidenz für telemedizinische Patientenversorgung – eine evaluatorische Herausforderung (Vortragsfolien) [pdf | 2,4 MB]
- Sebastian C. Semler: Zusammenfassung des Workshops „Evaluation von telemedizinischen Services“ (Vortragsfolien) [pdf | 498 KB]
Weiterführende Informationen
- Workshop-Programm [pdf | 44 KB]
- Workshop-Ergebnisse [pdf | 10 KB]
- eHealth Conference 2014
- Veranstaltungshinweis des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)
- TELEMED 2014