Zoonosen: Kurzfristige Risikobewertungen sind unerlässlich
300 Wissenschaftler und Public Health-Experten aus Human- und Veterinärmedizin stärken in Berlin ihre Zusammenarbeit
15.10.2015. Die
Bewertung möglicher Gesundheitsrisiken ist eine wichtige Aufgabe von Public
Health. Eine wichtige Rolle spielen dabei Krankheitserreger, die zwischen
Tieren und Menschen übertragen werden: Zoonosen. „Kurzfristige Risikobewertungen
sind unerlässlich bei neuen oder wiederauftretenden Zoonosen – auch und gerade
wenn die zur Verfügung stehenden Informationen unvollständig sind“. Dies sagte
Dr. Andrea Ammon (Europäisches Zentrum für die Prävention und Kontrolle von
Krankheiten, ECDC) in ihrer Keynote heute beim Nationalen Symposium für
Zoonosenforschung 2015 in Berlin. Die Tagung bringt 300 Wissenschaftler und
Public Health-Experten aus Human- und Veterinärmedizin zusammen.
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Dr. Andrea Ammon
(ECDC) |

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Das ECDC erstellt regelmäßig solche Risikobewertungen
für die europäische Bevölkerung. Das Risiko, das eine ansteckende Krankheit für
eine Bevölkerung darstellt, hängt sowohl von der Übertragungswahrscheinlichkeit
innerhalb der Bevölkerung, als auch dem Ansteckungsgrad der Krankheit ab. Doch
wie lässt es sich am besten und zeitnah einschätzen? „Risikobewertungen werden
mit jeder neu gewonnenen Erkenntnis aktualisiert. Dies erlaubt eine
transparente Kommunikation über das mögliche Ausmaß eines Risikos und
ermöglicht die Dokumentation der bisherigen Anhaltspunkte und Wissenslücken zum
Zeitpunkt der Erstellung einer solchen Einschätzung“, so Ammon. Eine vom ECDC
veröffentlichte Methodologie biete einen strukturierten Ansatz für die
Erstellung solcher Bewertungen.
Praxisrelevante Forschungsfragen identifizieren
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Dr. Ute Teichert
(Bundesverband der
Ärztinnen und Ärzte des
Öffentlichen
Gesundheits-
dienstes) |
Das Zoonosensymposium findet in diesem Jahr erstmals
zusammen mit Vertretern des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) statt.
Bisher gibt es zu wenige Foren für den Austausch zwischen Forschung und ÖGD.
Gemeinsam wird diskutiert, welche Fragen man stellen muss, um die Risiken neuer
oder wieder auftretender Zoonosen fundiert bewerten zu können. Dabei geht es
insbesondere darum, praxisrelevante Forschungsfragen zu identifizieren und Wege
zu finden, wie der ÖGD künftig an Forschungsprojekten stärker beteiligt werden
kann. „‘Es wächst zusammen, was zusammengehört‘ – diese Aussage gilt auch für
das Thema Zoonosen und öffentliche Gesundheit“, lobten Dr. Ute Teichert und Dr.
Jürgen Rissland vom Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen
Gesundheitsdienstes die Kooperation.
In ihrer Keynote im Rahmen der Kongresseröffnung wies
Prof. Dr. Caroline Herr (Bayerisches Landesamt für Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit) darauf hin, dass über die Abluftanlagen großer Tierställe
Erreger in die Umwelt gelangen können. Die umweltmedizinische Bewertung des
damit verbundenen Gesundheitsrisikos erfolge auf Basis von Ausbreitungsberechnungen.
Allerdings könnten die Ergebnisse solcher Berechnungen erheblich von den realen
Messergebnissen vor Ort nach Inbetriebnahme der Anlagen abweichen. Aus
umweltmedizinischer Sicht könne es deshalb notwendig sein, die Werte in den
umliegenden Siedlungsgebieten zu überprüfen.
Synergistisches Vorgehen beim Thema Antibiotikaresistenzen notwendig
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Prof. Dr. Martin Groschup
(Friedrich-Loeffler-Institut,
Greifswald – Insel Riems) |
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Auch die Zusammenarbeit zwischen Human- und
Veterinärmedizin ist ein Thema, dem sich die Nationale Forschungsplattform für
Zoonosen weiter widmen wird. So zum Beispiel auch in der Problematik der
Antibiotikaresistenzen. „Jeder macht etwas, aber wir tun es noch nicht
zusammen“. Diese Bilanz zog Prof. Dr. Martin Groschup
(Friedrich-Loeffler-Institut, Greifswald – Insel Riems) nach der Vorstellung
von Maßnahmen zur Erforschung und Vermeidung von Antibiotika-Resistenzen aus
den verschiedenen Bereichen. „Ein synergistisches Vorgehen von Human- und
Veterinärmedizin und eine enge Kooperation zwischen Forschung und öffentlichem
Gesundheitswesen wird künftig unerlässlich sein.“
Großflughäfen spielen eine wichtige Rolle bei der Krankheitsverbreitung
Auch die zunehmende Mobilität von Menschen und Gütern
spielt eine wichtige Rolle bei der Verbreitung zoonotischer Krankheitserreger.
Am zweiten Kongresstag wird Prof. Dr. René Gottschalk (Frankfurter Amt für
Gesundheit) die Rolle internationaler Großflughäfen bei der Verbreitung
hochpathogener Krankheitserreger diskutieren. „Infektionskrankheiten, die durch
hochpathogene Krankheitserreger hervorgerufen werden, werden praktisch
ausnahmslos über Flughäfen eingeschleppt“, sagte er im Vorfeld der
Veranstaltung.
Weitere Informationen
-
www.zoonosen.net
| Twitter: #zoonoses2015
- Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V.
- Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf
- Nachbericht zum Zoonosensymposium 2015
- „Wie man sich das in der Zoonosenforschung vorstellt“: Interview mit Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit über die Kooperation zwischen Human- und Tiermedizin und die Entdeckung eines neuen Borna-Virus
- ECDC: Risk Assessment Methodology [pdf|1,4 MB]
Kontakt:
Nationale Forschungsplattform für Zoonosen: Dr. Ilia Semmler
Tel.: 030 – 22 00 24 772
| E-Mail
Ansprechpartnerin Medien: Antje Schütt | Tel.: 030 − 22 00 24 731
oder 0173 –
61 41 663 | E-Mail
Hintergrund
Nationale Forschungsplattform für Zoonosen
Forschung zu Zoonosen –
also Forschung zu Infektionskrankheiten, die zwischen Tieren und Menschen
übertragen werden können – findet in Deutschland an vielen verschiedenen Orten
und Einrichtungen statt: an Universitäten und in Bundesinstituten, in kleinen
Arbeitsgruppen und in großen Verbünden. Dabei sind Wissen und Erfahrung sowohl
von Human- und Tiermedizinern als auch von Infektionsbiologen und Wissenschaftlern
anderer Fachdisziplinen von großer Bedeutung. Deshalb ist es notwendig, dass in
diesem Bereich alle Forscherinnen und Forscher eng zusammen arbeiten.
Die Nationale
Forschungsplattform für Zoonosen als infrastrukturelle und wissenschaftliche
Organisation, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert
wird, ermöglicht und unterstützt diese Vernetzung. Aufgabe der Zoonosenplattform
ist es, biomedizinische Grundlagenforschung sowie Human- und Veterinärmedizin
enger zu verknüpfen, um die Zoonosenforschung in Deutschland effektiver zu
gestalten. Die Zoonosenplattform wird gemeinsam von der Universität Münster,
dem Friedrich-Loeffler-Institut (Standort Riems) und der TMF getragen.
Weitere Informationen: www.zoonosen.net