Erfolg von Biobanken auch nach ihrer wissenschaftlichen Nutzung bewerten
5. Nationales Biobanken-Symposium mit 250 Teilnehmern in Berlin
15.12.2016. Erfolg
von Biobanken sollte künftig nicht mehr ausschließlich nach der Menge
eingelagerter Proben, sondern nach der Anzahl der für Forschungsprojekte
herausgegebenen Proben bemessen werden. Diesen Vorschlag machte Dominic Allen,
Chief Operating Officer der Integrated
BioBank of Luxembourg (IBBL), in seiner Keynote zu Beginn des 5. Nationalen
Biobanken-Symposiums, das am 7. und 8. Dezember 2016 mit rund 250 Teilnehmern
in Berlin stattfand.

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Dominic Allen (Integrated
BioBank of Luxembourg – IBBL, Luxemburg) |
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Allen berichtete über Erfolge und Misserfolge der jungen
Biobank, die von der Luxemburgischen Regierung 2008 initiiert wurd und die
neben Gesundheit und Forschung auch die Wirtschaft des Landes stützen soll. Als
besondere Erfolgsfaktoren nannte er die gute öffentliche Förderung, die
Möglichkeit, die Biobank „auf der grünen Wiese“ – und ohne direkte Einbindung
in eine Klinik – neu aufzubauen, die Tatsache, dass die Infrastruktur von
Beginn an als eigenständige Rechtseinheit konzipiert wurde sowie eine eigene,
voll funktionsfähige Pathologie im Haus.
Unterschätzt habe man zu Beginn allerdings die Anforderungen
an das Datenmanagement und die Qualitätssicherung. Das Biobanking sei eine
junge Disziplin, er rechne deshalb damit, so Allen, dass es hier noch zu
erheblichen Konsolidierungsprozessen kommen werde: Die meisten Biobanken würden
demnach in finanzieller Hinsicht scheitern, und viele würden fusionieren.
Biobanken sind Datenempfänger, Datenhalter und Datenlieferanten
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Sebastian C. Semler (TMF)
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Mit Blick auf die BMBF-Förderinitiative Medizininformatik,
deren Begleitstruktur gemeinsam von der TMF, dem Medizinischen Fakultätentag
und dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands getragen wird, wies
Sebastian C. Semler (TMF) darauf hin, dass Biobanken sowohl Proben als auch
Daten lagern. Sie seien ebenso Datenempfänger und Datenhalter wie
Datenlieferanten. Die Integration der Biobanken-bezogenen Strukturen an den
universitären Standorten, aber auch auf der nationalen Ebene in die
Medizininformatik-Initiative sei deshalb wichtig und könne über die
Begleitstruktur und die TMF gewährleistet werden.
Vorträge zur Session:
- Dominic Allen (Integrated Biobank of Luxembourg – IBBL, Luxemburg): IBBL – How to get it right, and wrong!
- Sebastian C. Semler (TMF): Vorstellung der Medizininformatik-Initiative [PDF | 1 MB]
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Prof. Dr. Martin Fiedler (Zentrum für Labormedizin und Universitätsinstitut für Klinische Chemie, Bern/Schweiz) |
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Die Einbindung von Biobanken in die Strukturen der
Krankenversorgung und ihre zunehmende Rolle als Brücke zwischen Forschung und
Versorgung war das Thema mehrerer Vorträge. Der in der Biobank Bern bereits
erreichte Grad der Automatisierung und die dort vorhandenen Bedingungen, die es
ermöglichen, dass Proben innerhalb von einer Stunde nach Entnahme in der
Biobank eintreffen, wurden von vielen Teilnehmern mit (wohlwollendem) Neid
aufgenommen. Die Interdisziplinäre Biomaterial- und Datenbank Würzburg (ibdw) entwickelt
und testet derzeit eine App, die den Weg der Probe vom Entnahmezeitpunkt bis
ins Labor verfolgen soll.
Vorträge zur Session:
- Prof. Dr. Martin Fiedler (Zentrum für Labormedizin und Universitätsinstitut für Klinische Chemie, Bern/Schweiz): Das Konzept der BioBank Bern
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Dr. Michael Neumann (Universitätsklinikum Würzburg): Mobiles LIS-integriertes Assistenzsystem zur Dokumentation des Probenentnahmezeitpunkts [PDF | 4 MB]
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Dr. Romy Kirsten (Universitätsklinikum Heidelberg): Interaktion von Health Care-integriertem Gewebebanking mit klinischen und populationsbasierten Studien [PDF | 1 MB]
- PD Dr. Tilmann Rau (Universität Bern): LEAN-Prozessoptimierung durch dokumentierte kalte Ischämiezeiten
- Mathias Wieland (BiomaterialBank Heidelberg): Nutzung von Statistiken aus der Immunhistochemie
Partizipativer Ansatz der Precision Medicine Initiative in den USA
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Jyotishman Pathak (Weill Cornell Medical
College, New York/USA) |
Über die Rolle der Informatik in der Ära der
Präzisionsmedizin berichtete Dr. Jyotishman Pathak vom Weill Cornell Medical
College in New York (USA). Die von Präsident Barack Obama gestartete Precision
Medicine Initiative, die jetzt unter der Bezeichnung „All of Us“ läuft, soll
insbesondere der Diversität der nordamerikanischen Bevölkerung Rechnung tragen
und verfolgt einen partizipativen Ansatz, bei dem die Teilnehmer als Partner in
wichtige Entscheidungen eingebunden werden, zum Beispiel: Welche Daten sollen
gesammelt werden? Welche Analysen und welche Forschungsprojekte sollen damit
durchgeführt werden?
Wie sollen die Daten an die Teilnehmer zurückgespielt
werden?
Die Precision Medicine Initiative verspricht eine Reihe
wissenschaftlicher Möglichkeiten – von der quantitativen Abschätzung der
Risiken für Erkrankungen unter Berücksichtigung sowohl von Umwelt- als auch von
genetischen Faktoren über die Entdeckung biologischer Marker bis zum
„Empowerment“ der Studienteilnehmer, ihre Gesundheit mit Hilfe der
zurückgespielten Daten und Informationen zu verbessern.
Vorträge zur Session:
- Dr. Jyotishman Pathak (Weill Cornell Medical College, New York/USA): The Role of Informatics in the Era of Precision Medicine [PDF | 13 MB]
- Dr. Bartlomiej Wilkowski (Danish National Biobank, Kopenhagen/Dänemark): Nationwide enrichment of biological sample data with data from health registers – the Danish Biobank Register search system [PDF | 1 MB]
- Architektur
Diogo Alexandre (Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg):
Designüberlegungen für BBMRI-ERIC CS-ITs dezentrale Architektur
- Dr. Andreas Wolf (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel):
CentraXX spricht Kiwi – Integration eines vollautomatischen Probenlagers
- PD Dr. Christoph Brochhausen (Universität Regensburg): Open Data management for an integrative Biobank
Offenes Datenbankmanagement für eine integrative Biobank
Biobanken zu Großtiermodellen und Mikroorganismen: Wichtige Ressourcen für
die Humanmedizin
Auch Biobanken mit Proben von Tieren können interessante
Ressourcen für die translationale Medizin sein: Tiere wie Schweine oder Hunde
haben entweder eine große genetische Übereinstimmung mit dem Menschen oder
teilen Umgebung und Lebensstil und entwickeln außerdem häufig dieselben
Erkrankungen – beispielsweise Schweine Diabetes oder Hunde neurologische
Erkrankungen. Sie sind deshalb oft bessere Modelle für die Humanmedizin als
z.B. die Maus, schon allein deshalb, weil man aus den Großtieren viel mehr
krankheitsrelevantes Material wie z.B. Nerven oder Blutgefäße untersuchen kann.
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Prof. Dr. Jörg Overman (Leibniz-Institut DSMZ − Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen, Braunschweig) |
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Die Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen
(DSMZ) lagert zum einen Pathogene, zum anderen Zelllinien ein, die von
Forschern für ihre wissenschaftlichen Vorhaben bestellt werden können. Wie
Prof. Dr. Jörg Overmann (DSMZ) darstellte, sei eine zentralisierte Lagerung
unter anderem deshalb sinnvoll, weil ein Forschungsprojekt über eine längere
Laufzeit so immer auf ein frisches Aliquot des eingelagerten Stamms
zurückgreifen könne, so dass die sonst sehr schnell verlaufende genetische
Veränderung verhindert oder zumindest vermindert werden kann.
Vorträge zur Session:
- Prof. Dr. Eckhard Wolf (Ludwig-Maximilians-Universität München): Biobanking von genetisch maßgeschneiderten Großtiermodellen – eine interessante Ressource für die Translationale Medizin
- Prof. Dr. Hannes Lohi (University of Helsinki/Finland): Canine models of human inherited conditions
- Prof. Dr. Jörg Overman (Leibniz-Institut DSMZ − Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen, Braunschweig): Funktionen, Relevanz und zukünftige Herausforderungen mikrobieller Ressourcenzentren – das Beispiel DSMZ [PDF | 15 MB]
Von Systemen zu Netzwerken: Es entsteht ein neues Wertesystem
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Prof. Dr. Andréa
Belliger (Institut für Kommunikation & Führung IKF, Luzern/Schweiz) |
„Wir erleben derzeit einen gesellschaftlichen
Paradigmenwechsel: von Systemen zu Netzwerken.“ Das sagte Prof. Dr. Andréa
Belliger (Institut für Kommunikation & Führung IKF, Luzern/Schweiz) in
ihrer Evening Lecture zum Thema „Digitale Transformation im Gesundheitswesen“.
Dabei sei die Technik nur ein Treiber, es entstehe ein neues Wertesystem, das
durch offene Kommunikation, Partizipation, Transparenz, Empathie und
Autentizität geprägt sei. Sie mahnte eine Kulturveränderung gerade auch in der
Wissenschaft an. Für den Umgang mit Daten müssten neue Governance-Modelle
entwickelt werden.
Vortrag zur Session:
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Prof. Dr. Andréa Belliger (Institut für Kommunikation & Führung IKF, Luzern/Schweiz): Digitale Transformation im Gesundheitswesen [Prezi-Präsentation]
Biobanken-Infrastrukturen: Gute Ausgangsposition für künftige
Herausforderungen
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Dr. Michaela T. Mayrhofer
(BBMRI-ERIC) |
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Der zweite Kongresstag begann mit einem Blick auf nationale
und europäische Biobanken-Infrastrukturen. Dr. Michaela T. Mayrhofer
(BBMRI-ERIC) wies insbesondere auf die Bedeutung der ethischen, rechtlichen und
sozialen Themen („ELSI issues“) hin, die neben den offensichtlichen technischen
Herausforderungen und Qualitätsaspekten häufig wie der sprichwörtliche Elefant
im Raum stünden. BBMRI-ERIC arbeitet derzeit daran, für diese Themen Services
bereitzustellen.
Der German Biobank Node (GBN), der nationale Knoten für
Deutschland in BBMRI-ERIC, schließt in Kürze die Projekte der ersten
Förderphase ab. Dr. Cornelia Rufenach (GBN), Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch
(Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) und PD Dr. Dr. Michael
Kiehntopf (Universitätsklinikum Jena) präsentierten Ergebnisse. So konnte im
IT-Projekt beispielsweise der Proof of concept geführt werden, dass heterogene
Biobanken-Infrastrukturen miteinander verknüpft werden können.
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Prof. Dr. Michael Hummel (Charité/GBN) |
Prof. Dr. Michael Hummel (Charité/GBN) gab einen Ausblick
auf die Weiterentwicklung: Mit der Biobanken Alliance,
die 2017 starten soll, sei der Aufbau eines deutschen Biobanken-Netzwerks auch über die im Rahmen des
Vorhabens geförderten Biobanken hinaus vorgesehen. Es sei eine wesentlich stärkere
Einbeziehung verschiedener Interessensvertreter geplant – insbesondere der
Probengeber und Nutzer. Insgesamt biete sich mit der neuen Förderung eine sehr
gute Ausgangsposition für die zukünftigen Herausforderungen der
biomedizinischen Forschung, so Hummel.
Das Deutsche Biobanken-Register wird derzeit mit
Unterstützung durch GBN und den Nationalen Biobanken-Knoten in den Niederlanden
– BBMRI.NL – umgebaut. Der Umbau ist Ende 2016 abgeschlossen und wird die
Integration in das BBMRI-ERIC Directory erheblich vereinfachen. Wie das
BBMRI-ERIC Directory wird das umgebaute System dann auf MOLGENIS basieren, das
z. B. auch einen automatischen Datenupload vorsieht.
Vorträge zur Session:
- Dr. Michaela T. Mayrhofer (BBMRI-ERIC Headquarter, Graz/Österreich): BBMRI-ERIC – ein Update der europäischen Aktivitäten
- Dr. Cornelia Rufenach (German Biobank Node, Berlin): German Biobank Node-Konzept – Resumee der ersten Förderphase [PDF | 2 MB]
- Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg): Pilotprojekt zur Biobanken-Vernetzung in GBN
- Prof. Dr. Michael Hummel (Charité/German Biobank Node, Berlin): German Biobank Alliance – Chancen und Herausforderungen
- PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf (Universitätsklinikum Jena): Qualitätsmanagement in GBN und GBA
- Dr. Roman Siddiqui (TMF/Deutsches Biobanken-Register, Berlin): Das Deutsche Biobanken-Register – Weiterentwicklung zur Version 2.0 [PDF | 1 MB]
Biobank-Governance als Teil des Qualitätsmanagements verstehen
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Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann (Universitätsmedizin Greifswald) |
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In der Abschluss-Session lenkten insgesamt fünf Referenten
den Blick auf ethische und regulatorische Themen. Von Zufallsbefunden in der
NAKO-Gesundheitsstudie über die
Anregung, die Optimierung der Biobank-Governance als Teil des
Qualitätsmanagements zu verstehen und auch wissenschaftlich zu evaluieren bis
zu Fragen der Einwilligung von Patienten und Probanden in medizinische
Forschungsprojekte.
Vorträge zur Session:
- Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann (Universitätsmedizin Greifswald): Wer viel sucht, findet so manches – Umgang mit incidental findings in der NAKO Gesundheitsstudie [PDF | 1 MB]
- Prof. Dr. Daniel Strech (Medizinische Hochschule Hannover): Evaluation und Optimierung der Biobank Governance
[PDF | 429 KB]
- Gesine Richter (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel): Evaluierung eines klinikweiten broad consent für die Forschung an Restmaterial
- Hélène Nobile (Deutsches Institut für Ernährungsforschung, Potsdam): Biobanks associated to cohort studies – Participants' decision making and expectations of results: empirical-ethical investigations
- Dr. Monika Kraus (Helmholtz Zentrum München): Informierte Einwilligung im Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V. (DZHK)
Dialog mit der Industrie: Anwender wünschen sich genauere Informationen zu
den Qualitätssicherungsmaßnahmen der Hersteller
Das Symposium gab mit Kurzpräsentationen und einer
ausführlichen Diskussion auch dem Dialog mit der Industrie ausreichend Raum.
Deutlich wurde, dass die Forscher als Anwender von Röhrchen, in denen die
Bioproben bei Temperaturen von bis zu -180°C eingefroren werden, sich wünschen,
detailliertere Informationen über die Qualitätssicherungsmaßnahmen und
-testungen der Anbieter zu erfahren. Insbesondere wären Studien zur Haltbarkeit
der Tubes über lange Zeiträume, aber auch Informationen zu den
Materialeigenschaften und möglichen Interaktionen zwischen Probe und Behälter
hilfreich. Das Thema soll im Biobanken-Symposium 2017 erneut aufgegriffen
werden.
Posterpreise wurden in diesem Jahr an folgende Beiträge
vergeben:
1. Preis
- Bossert, Kahrass, Heinemeyer, Prokein, Strech: Target-group-specific validation and optimisation of an informed consent form for biobank research [PDF | 117 KB]
2. Preis
- Strech, Chin, Wieschowski, Prokein, Illig, Sievers: Current Practice of Ethics Reporting in Biospecimen and Genetic Research and Suggestions for Improvement
[PDF | 68 KB]
3. Preis (geteilt)
- Strech, Langhof, Kahrass, Sievers: Access policies in biobank research: What criteria do they include and how publicly available are they? A cross-sectional study [PDF | 170 KB]
- Geiger, Neumann, Jahns: Drafting and Implementation of a Biobank Financial Plan [PDF | 5 MB]
- Haase, Maiwald, Klesse, Schetelig: The Collaborative Biobank – Legal and ethical challenges during the establishment [PDF | 587 KB]
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Die Gewinner des Posterpreises mit Prof. Dr. Michael Krawczak von l.n.r.: Jörg Geiger (Interdisziplinäre Biomaterial- und Datenbank Würzburg - ibdw), Caroline Haase (DKMS gemeinnützige GmbH, Dresden & Tübingen), Hannes Kahrass (Institut für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin, Medizinische Hochschule Hannover), Daniel Strech (Institut für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin, Medizinische Hochschule Hannover), Prof. Dr. Michael Krawczak (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel).
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Weiterführende Links
- Programm des Biobanken-Symposiums 2016
- Website des Biobanken-Registers
- Website der AG Biomaterialbanken
- Website des GBN
- Website des BBMRI-ERIC