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Forschen für Gesundheit: TMF-Jahreskongress stellt die Bedeutung der Translation in den Mittelpunkt

160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer widmen sich in Bonn der engen Zusammenarbeit von medizinischer Forschung und Versorgung

21.03.2019. Im Rahmen des 11. TMF-Jahreskongresses berieten medizinische Forscherinnen und Forscher, Medizininformatikerinnen und -informatiker, Biobanken-Expertinnen und -Experten sowie Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Forschungsförderung über die Voraussetzungen für eine erfolgreiche translationale Forschung in Deutschland. Gegenwärtig werden umfangreiche Ressourcen und viel Zeit investiert, bis ein neues medizinisches Diagnostik- oder Therapieverfahren den Weg vom Labor in die breite Anwendung schafft. Die translationale Forschung möchte diesen Prozess beschleunigen, sodass Patientinnen und Patienten schneller von neuen Erkenntnissen aus der Forschung profitieren. Translation ist ein komplexer Prozess, der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Praxis vor große Herausforderungen stellt. Sie erfordert interdisziplinäres Denken und Handeln an den Schnittstellen zwischen Forschung, Klinik und Versorgung. Dabei rückt der Mensch in den Mittelpunkt. Digitalisierung und Personalisierung gelten als Schlüssel für den Fortschritt.

   
     
   
 
„Translationale Forschung ist angesichts des ungebrochenen Vormarsches der großen Volkskrankheiten und des demografischen Wandels eine dringliche Herausforderung. Von der schnelleren Umsetzung von Erkenntnissen der wissenschaftlichen Forschung in den klinischen Alltag werden in erster Linie die Patientinnen und Patienten profitieren“, sagte Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann (Universitätsmedizin Greifswald) als Tagungspräsident zur Eröffnung des TMF-Jahreskongresses am 20. März 2019 im großen Vortragssaal des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) auf dem Bonner Venusberg. Dabei gelte es ebenso Fachgrenzen zu überwinden wie eine Kultur der Datenteilung zu etablieren. „Insbesondere heißt Translation: Rausgehen, Schauen, Zuhören, wo die offenen Bedarfe in der Versorgung sind und diese gezielt durch Forschung füllen“, so Hoffmann weiter. Dazu müssten Medizinforscherinnen und -forscher die Rahmenbedingungen der Versorgung kennen und Betroffene aktiv in die Forschung einbeziehen.

 

   
 
Die breite Beteiligung der deutschen medizinischen Verbundforschung am diesjährigen TMF-Kongress unterstreiche laut TMF-Vorstandsvorsitzendem Prof. Dr. Michael Krawczak (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel) die Bedeutung des Kongressthemas: „Die schnelle Übersetzung neuer grundlegender Erkenntnisse der medizinischen Forschung in die passgenauere Versorgung einzelner Menschen ist eine große Herausforderung. Die Voraussetzungen für eine personalisierte Medizin werden dabei nur im Zusammenspiel verschiedener Fachgebiete und im bundesweiten Austausch von Forschungsdaten zu schaffen sein.“ Dieses Credo des Mehrwertes der standortübergreifenden Zusammenarbeit trage die TMF seit ihrer Gründung vor 20 Jahren „in ihren Genen“.

 

   
 
Als Gastgeber beschrieb Prof. Dr. Dr. Pierluigi Nicotera (DZNE) vor den rund 160 Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmern den Trend zur Forschung an und mit großen Datenmengen: „Die internationalen Technologie-Konzerne investieren massiv Mittel in diesen Bereich und beginnen mit der Ernte von individuellen Gesundheitsdaten. Hier muss öffentlich geförderte Forschung Schritt halten und selbst konkrete Beiträge zu einer besseren Gesundheitsversorgung der Patientinnen und Patienten leisten.“ Zentral hierfür sei die Zusammenarbeit der Forschenden auf nationaler und internationaler Ebene. Das DZNE und die TMF arbeiteten für dieses Ziel bereits Hand in Hand.

 

   
 
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Wolfgang Holzgreve
(Universitätsklinikum Bonn) stellte den „Megatrend Digitalisierung“ in das Zentrum seines Grußwortes. Von den 400.000 Patientinnen und Patienten des Klinikums würden schon heute 50.000 Erkrankte stationär behandelt, aber zugleich 350.000 Personen ambulant versorgt. Dies Verhältnis werde sich schon unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten weiter in Hinblick auf eine Versorgung im häuslichen Lebensumfeld verschieben. Um dies zu ermöglichen seien sowohl qualitätsgesicherte digitale Anwendungen als auch sichere IT-Anbindungen Grundvoraussetzungen.

 

Digitale Instrumente in der patientennahen Forschung

Zwei beispielhafte digitale Anwendungen, die innerhalb des DZNE entwickelt wurden, standen denn auch am Beginn der ersten Kongresssession. Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann (Universitätsmedizin Greifswald) stellte aktuelle Erkenntnisse aus der DelpHi-Studie MV vor. Mit Hilfe eines eigens entwickelten Computersystems erstellen innerhalb der Studie Betreuungsmanagerinnen und -manager für die Patientinnen und Patienten einen individuell maßgeschneiderten Behandlungs- und Versorgungsplan, der an die behandelnden Hausärztinnen und Hausärzte weitergeleitet wird. Dabei hat sich das computergestützte Interventions-Management-System (IMS) einer händischen Beurteilung der Versorgungssituation signifikant überlegen gezeigt. Auch stimmten die beteiligten Ärztinnen und Ärzten den Behandlungsempfehlungen nahezu ausnahmslos zu. Das System sei aufgrund des erreichten Automatisierungsgrades nunmehr reif für die Erprobung in der Regelversorgung. „Ziel ist es, eine individualisierte und leitliniengerechte ambulante Versorgung von Demenzpatientinnen und –patienten sicherzustellen und so deren Lebensqualität zu verbessern und ihre Angehörigen zu entlasten“, so Hoffmann.

 

 

 
Neueste Methoden der molekularen Diagnostik der Alzheimer Erkrankung in bildgebenden Verfahren sind die wissenschaftliche Grundlage der von Prof. Dr. Emrah Düzel (Universitätsklinikum Magdeburg) vorgestellten NEOTIV-App. Mittels besonderer Wahrnehmungstests auf mobilen Endgeräten kann eine frühzeitige Diagnosestellung eingeleitet und der Krankheitsfortschritt kontinuierlich überprüft werden. Ziel ist es, die beginnende individuelle Erkrankung frühzeitig ab- und aufzufangen. Über die App können zudem zukünftig patientenerhobene Daten, etwa zur Auswirkung von Infekten auf die Grunderkrankung, ihrerseits als „Citizen Science“ direkt in die wissenschaftlichen Erkenntnisprozesse einfließen.

  

   
 
Diesem Plädoyer für mehr aktiven Patienteneinbezug schloss sich der nachfolgende Vortrag nahtlos an. Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch (Universitätsklinikum Erlangen) rief dazu auf, die Teilhabe der Patientinnen und Patienten an medizinischen Forschungsprozessen auszubauen. Hierzu stellte er den Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmern die Idee eines zukünftigen standortbezogenen digitalen Patientenforschungsdatenportals vor. Studienteilnehmerinnen und –teilnehmer sollten im Sinne eines „Dynamic Consents“ ihre Einwilligungen und Zustimmungen zu Forschungsdatennutzungen selbst verwalten und sich über den konkreten Datenabruf sowie erzielte Forschungsergebnisse in einem eigenen geschützten Bereich informieren können. Um die notwendige Datenbankintegration vorzubereiten und geeignete Patientenportale für die klinischen Arbeitsplatzsysteme (KAS) zu entwickeln, seien in einem ersten Schritt die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten zu erheben.

 

Die Potentiale und Hemmnisse der Forschung mit Routinedaten standen im Mittelpunkt des Vortrages von Dr. Felix Erdfelder (Universitätsklinikum Bonn). Zu den vielfältigen Herausforderungen der Sekundärdatennutzung gehörten die mangelnde Übermittlung von Erhebungszeitpunkten und Datenbias aufgrund systematischer Verzerrungen, aber auch ethische Fragen wie ungewollte Erkenntnisgewinne der Studienteilnehmerinnen und –teilnehmer durch den Studieneinschluss. Insbesondere die uneinheitliche Freitextdokumentation im „Datengrab Arztbrief“ führe bereits im Versorgungsalltag regelmäßig zu gravierenden Fehlbehandlungen. Gelöst von den konkreten Personen sei eine nachträgliche Zuordnung etwa verwendeter mehrdeutiger Abkürzungen kaum mehr möglich. Hier bedürfe es eines Kulturwandels hin zu einer strukturierten Behandlungsdokumentation. Die Erfassung der Primärdaten müsse dabei durch intelligente technische Systeme unterstützt und vereinheitlicht werden. „Wir müssen dabei das Rad nicht überall neu erfinden, aber schnell an den Wagen schrauben und Fahrt aufnehmen“, so Erdfelder. Der grundsätzlich mit einer Datennutzung verbundene Grundrechtseingriff führe schließlich für die Forschenden zu der Verpflichtung, über eine schnelle Translation das Beste für die individuelle Gesundheit der Menschen zu erreichen.

 

Forschen mit Patientendaten: Den rechtlichen Rahmen füllen

   
   
Zu Beginn der zweiten Kongresssession erläuterte das Mitglied der Datenethikkommission der Bundesregierung und Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit Prof. Dr. Rolf Schwartmann (Technische Hochschule Köln) die Wirkungen der Europäischen Datenschutzgrundverordnung auf die rechtliche Zulässigkeit der Verarbeitung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken. Insbesondere Art. 9 Abs. 2 Buchst. h DS-GVO eröffne für Forschungszwecke einen neuen, in Teilen noch auszufüllenden erweiterten Möglichkeitsraum. In der sich anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass die tatbestandliche Eröffnung dieser Forschungsklausel im Verhältnis zu alternativen ebenfalls zur Zweckerfüllung geeigneten Instrumenten gegenwärtig ungeklärt bleibt. Bis zum Abschluss etwaiger gerichtlicher Vorlageverfahren dürfte eine informierte Einwilligung weiterhin die rechtssichere Datennutzungsgrundlage darstellen.

 

   
   
Einen entsprechenden national harmonisierten, modularen Broad Consent in der Medizininformatik-Initiative (MII) stellte PD Dr. Sven Zenker (Universitätsklinikum Bonn) vor. Ziel ist es, den standortübergreifenden Datenaustausch zwischen den Konsortialpartnern der MII zu ermöglichen. Insbesondere soll mit der Einwilligung der Patientinnen und Patienten auch die Möglichkeit einer Nutzung der Gesundheitsdaten für erst in der Zukunft startende Projekte und Machbarkeitsstudien geschaffen werden. Der Consent-Text liegt mittlerweile in einer Version 1.7 vor und konnte bereits mit den Facharbeitskreisen der Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder sowie dem Arbeitskreis medizinischer Ethikkommissionen erfolgreich abgestimmt werden.  

 

Im Fokus: Die deutschen Zentren für Gesundheitsforschung

   
   
Die Etablierung von Kollaborationsstrukturen der seit dem Jahr 2009 gegründeten Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung mit ihren insgesamt mehr als 80 beteiligten Standorten prägte das Kongressprogramm am Nachmittag des ersten Tages. Prof. Dr. Christian Nolte (Charité – Universitätsmedizin Berlin) berichtete von der Zusammenarbeit zwischen dem DZNE und dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e. V. im Rahmen der PRAISE-Studie zum Zusammenhang zwischen dem Vorliegen eines Koronarsyndroms und kognitiven und funktionellem Outcome eines Schlaganfalls. Für die im Jahr 2018 gestartete multizentrische algorithmische Studie mit dem Ziel einer Leitlinien relevanten Empfehlung zum Umgang mit nachgewiesener Troponin-Erhöhung im Zuge eines Schlaganfalls haben sich erstmals zwei Deutsche Zentren für Gesundheitsforschung zusammengeschlossen und Arbeitspakete aufgeteilt. Auch wurde eine Verfahrensweise für den Zugang zu den zentral bei einem Projektpartner gespeicherten Studiendaten vereinbart, die die zeitnahe Datennutzung mit einer einheitlichen semantischen Datenbasis, Nutzungsordnung und Datenschutzaufsicht verbindet.

 

   
   
Ein Beispiel für die semantische Datenintegration heterogener medizinischer Daten stellte Prof. Dr. Juliane Fluck (Universität Bonn) den Kongressteilnehmerinnen und –teilnehmern vor. Das Verbundprojekt IDSN beschäftigt sich mit neuro-degenerativen Erkrankungen und hat zum Ziel, eine integrative Datensemantik zur Unterstützung der anwendungsorientierten systembiologischen Forschung zu entwickeln. Im Rahmen einer Interaktion zwischen dem DZNE, der Universität Bonn, dem Fraunhofer-Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen und der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin (ZB MED) wurden hierzu Primärdaten von unterschiedlichen Modellsystemen und Technologieplattformen mit Sekundärdaten von öffentlichen Datenbanken und Publikationen verknüpft. Geschaffen wurde eine gemeinsame Semantic Lookup Platform für das einheitliche Mapping der heterogenen Daten in einem semantischen Layer. Dabei wurden nur relevante Daten tatsächlich integriert, wodurch auch das Reidentifikationsrisiko wesentlich verringert werden konnte.

 

   
 
Nicht zuletzt rückt auch die Bundesregierung die schnelle Translation zur Verbesserung der Patientenversorgung in den Fokus des vor kurzem verabschiedeten Rahmenprogramms Gesundheitsforschung. Mit der Gründung von zwei neuen Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung sollen Forschung und Versorgung noch enger vernetzt werden. Auf dem TMF-Jahreskongress stellte die Vorsitzende der Hochschulkommission der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Prof. Dr. Jutta Gärtner (Universitätsklinikum Göttingen) den aktuellen Planungsstand der Errichtung des neuen Deutschen Zentrums für Kinder- und Jugendgesundheit vor. Dieses erstmals nicht organ- oder krankheitsspezifisch ausgerichtete Zentrum soll sich auf mehrere Standorte verteilt dem sich entwickelnden Organismus widmen und dazu erforderliche „core facilities“ vorhalten. Einen Forschungsschwerpunkt sollen neben der prä-, peri- und neonatalen Medizin sowie Fragen des Stoffwechsels und der Umwelteinflüsse unter anderem auch die sich in der Regel bereits im Kindes- und Jugendalter manifestierenden sehr seltenen Krankheiten bilden. Patientennahe translationale Forschung sei hierbei ein wichtiger Erfolgsfaktor.
 

20 Jahre TMF: Aus der Forschung für die Forschung

   
 
   
 
Unter dem Motto „Wir bringen medizinische Forscher zusammen. Seit 20 Jahren“ warfen TMF-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Michael Krawczak (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel und TMF-Geschäftsführer Sebastian C. Semler zunächst einen Blick zurück auf zwei Jahrzehnte TMF als Anlaufstelle und Wissenspool für die Lösung der infrastrukturellen, organisatorischen und rechtlich-ethischen Fragen der medizinischen Verbundforschung in Deutschland. Durch die Bündelung von Bedarfen und Know-How, auch über das Ende einzelner Projektlaufzeiten hinaus, trage die TMF maßgeblich zur Nachhaltigkeit und Effizienz der medizinischen Spitzenforschung bei und stärke so den Wissenschaftsstandort Deutschland. Während sich Schlagwörter wie „Gesundheitstelematik“, „e-Health“, „Health-IT“, „Big Data“ und „Digitalisierung im Gesundheitswesen“ im Laufe der Jahre abgewechselt hätten, blieben die zu bewältigenden Aufgaben dieselben: Datenzugang und Datenschutz, Datenqualität, Interoperabilität. Entsprechend wertvoll sei die Kontinuität in der Arbeit der TMF. Auch das aktuelle „Buzzword“ Künstliche Intelligenz benötige Grundlagenarbeit und Expertise, die u.a. von der TMF vorangetrieben werde. Dabei gelte: Die Entwicklung von Ideen lebt von Konkurrenz, ihre Umsetzung von Zusammenarbeit.

 

   
   
Die Evening Lecture “Evidenzbasierte Prävention – Fact or Fiction?” bildete den Abschluss des ersten Kongresstages. Prof. Dr. Dr. Monique M.B. Breteler (DZNE) wies zunächst nach, dass nicht nur weltweit seit vielen Jahren die Lebenserwartung kontinuierlich steige, sondern damit zugleich eine wesentliche Ausweitung von Lebensjahren in guter Gesundheit einhergehe. Diesen historischen Erfolg habe Prävention erringen können, ohne dass die ursächlichen Bedingungen für konkrete Krankheiten bekannt waren. Heute ließen sich entsprechende Zusammenhänge zwischen Risikofaktoren und Krankheitsausbruch sowie –Fortschritt mit statistischer Evidenz nachweisen. Hierbei gelte es, nicht den Einzelfall in den Blick zu nehmen, sondern Verschiebungen bei einer großen Zahl Betroffener anzustreben. „Evidenzbasierte Prävention ist für sich genommen nicht heroisch, aber noch immer der beste Ansatz, um die Gesundheit der Gesamtbevölkerung nachhaltig zu verbessern“, so Breteler im Fazit ihres Vortrages.
 

Best Practice der translationalen Forschung

   
   
Session 5 widmete sich Beispielen für gelungene Translation im Bereich der neurodegenerativen Erkrankungen. Alzheimer ist eine Erkrankung mit einem langjährigen präklinischen Verlauf und einer dann schleichend beginnenden Demenz. Prof. Dr. Stefan Teipel (Universitätsmedizin Rostock) hat in seinem Vortrag gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit einer korrekten Diagnosestellung der Alzheimer-Krankheit im Stadium der leichten kognitiven Störung mittels neuer bildgebender Verfahren und Biomarker verbessert werden kann. Das eröffnet neue Möglichkeiten, frühzeitig zu intervenieren - bisher hauptsächlich im Rahmen der Prävention. „Wir brauchen noch mehr Studien zum Nutzen der Parameter der Frühbestimmung der Alzheimer Erkrankung“, fordert Teipel, der auch am DZNE forscht.

 

   
 
Prof. Dr. Frank Jessen (Universitätsklinikum Köln) erforscht die subjektive Wahrnehmung der Demenz durch „Memory Loss“. Darunter versteht man den subjektiv wahrgenommenen, störenden Verlust der Erinnerungsfähigkeit. Memory Loss ist ein Alarmzeichen, bei dem man anfangen muss zu intervenieren. Mittels der DELCODE-Studie möchte er Konzepte der Frühintervention in der präklinischen Phase und der Phase der subjektiv wahrgenommenen Gedächtnisstörung (Phase 1 und 2) entwickeln. Früh erkannt, könnten mit dem Hausarzt abgestimmte Behandlungen eingeleitet werden.

 

   
 
Die Pathologin Prof. Dr. Manuela Neumann baut gegenwärtig am DZNE eine „Brain Bank“ für Biomaterialproben auf, um die Diagnosesicherung und die klinische Diagnostik im Bereich der neurodegenerativen Erkrankungen voranzutreiben. Statistiken zeigen, dass die meisten neurodegenerativen Erkrankungen auch in spezialisierten Einrichtungen derzeit nur mit einer 90%-igen Trefferwahrscheinlichkeit zu Lebzeiten korrekt diagnostiziert werden. Pathologie ist ein wichtiger Baustein in der translationalen Medizin, u.a. weil sie Diagnosen validiert und damit Qualitätssicherung in der Medizin sicherstellt. Die Herausforderung besteht darin, dass das Biomaterial in einer Brain Bank nur nach dem Tod der Patienten im Rahmen einer Autopsie gewonnen werden kann.

 

   
 
Weitere exzellente Beispiele für erfolgreich angewandte Translation sind die Zentren für Personalisierte Medizin. Dies zeigten Prof. Dr. Peter Schirmacher (Universitätsklinikum Heidelberg) und Prof. Dr. Jürgen Wolf (Universitätsklinikum Köln) in ihren Vorträgen. Personalisierte Medizin bedeute, „die richtige Therapie für den richtigen Patienten zum richtigen Zeitpunkt“ anzuwenden, so Schirmacher. Dank des technologischen Fortschritts wurden in Baden-Württemberg mehrere Zentren für Personalisierte Medizin (ZPM) gegründet, die Patienten direkten Zugang zur Präzisionsonkologie bieten. Strukturelle Voraussetzung sei eine nachhaltige Finanzierung dieser innovativen Krankenversorgung mit ihren Mehrleistungen (Tumorboards, Beratung, Dokumentation, Einzelfallanfragen, Register) inklusive der aufwändigen molekularen Diagnostik. Ohne die nachhaltige Unterstützung durch Politik, Kostenträger und Patientenvertretungen wäre der Betrieb eines ZPM nicht möglich.

 

   
   
   
Prof. Dr. Jürgen Wolf vom Network Genomic Medicine erläuterte, dass die Ansprechraten auf gezielte individualisierte Therapien mit 70-80 Prozent wesentlich höher liegen als bei konventionellen Therapien und die so behandelten Patienten viel länger überleben. „Lungenkrebs ist nicht gleich Lungenkrebs. 25 Prozent aller Lungenkrebsfälle, die früher nur kurze Überlebenschancen hatten, müssen gezielt anders behandelt werden. Der Tumor muss in genetisch definierte Subgruppen heruntergebrochen werden.“, erläutert Wolf. Damit möglichst viele Patientinnen und Patienten von den innovativen Methoden der personalisierten Medizin profitieren, fordert er: „Wir müssen einen schnelleren Innovationstransfer in der personalisierten Behandlung von Lungenkrebs hinbekommen mit zentralisierter Diagnostik, Konsultation und Evaluation, aber heimatnaher Behandlung.“ Dieser Aufgabe widmet sich nun das Nationale Netzwerk Genomische Medizin – Lungenkrebs, deren Geschäftsführerin Frau Anna Kron darstellte, wie nun die hochqualitative molekulare Diagnostik für Lungenkrebspatienten modellhaft in die Praxis der klinischen Routineversorgung deutschlandweit implementiert und deren Kosten von Krankenkassen übernommen wird.

 

   
 
 
Das letzte Wort des diesjährigen Kongress sprach bewusst eine Patientin: Bärbel Söhlke (ROS1-Selbsthilfegruppe) profitiert seit mehr als fünf Jahren von den neuen gezielten Therapien. Sie leidet an Lungenkrebs mit einer ROS1-Translokation. In ihrem Vortrag forderte sie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf, „alle Patienten auf Treibermutationen zu testen, damit alle identifiziert werden, die zielgerichtet behandelt werden können.“ Gemeinsam mit 350 ROS1-Patienten aus 30 Ländern hat sie sich zu einer globalen ROS1-Gemeinschaft zusammengeschlossen, um Wissen auszutauschen und den Zugang zu effektiven Therapien für alle zu beschleunigen.

 

Der zweitägige TMF-Jahreskongress ist das etablierte bundesweite Forum zum gemeinsamen Austausch zu aktuellen Querschnittsthemen der medizinischen Verbundforschung. Die Vorträge vermitteln aktuelle Einblicke in den Forschungsstand aus den TMF-Mitgliedsverbünden. Der Kongress findet im jährlichen Wechsel an den Standorten der TMF-Mitglieder statt. Am Kongressvortag hatten im Rahmen der TMF-Akademie bereits sechs ausgebuchte Praxis-Tutorials zu den Themen „Datenschutz in der medizinischen Forschung“, „Systemvalidierung: Das Validierungspaket der TMF“, „Einstieg in Electronic Data Capture mit REDCap“, „Datenanonymisierung: Theorie und Praxis“, „Versorgungsforschung mit ambulanten Routinedaten“ und „MAGIC: IT-Werkzeuge für die medizinische Verbundforschung“ stattgefunden. Die Anmeldung zum 12. TMF-Jahreskongress öffnet im 4. Quartal 2019.

 

  1. Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann (Universitätsmedizin Greifswald): Das computergestützte Interventions-Management-System (IMS) der DelpHi-Studie - Entwicklung, Einsatz, Ergebnisse
  2. Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch (Universitätsklinikum Erlangen): Aktives Patientenmanagement in medizinischen Forschungsprozessen
  3. Prof. Dr. Christian Nolte (Charité – Universitätsmedizin Berlin): PRAISE-Studie - Interaktion DZNE-DZHK
  4. Prof. Dr. Juliane Fluck (Universität Bonn): Semantische Datenintegration heterogener medizinischer Daten-ein Beispiel der Interaktion zw. DZNE, Universität Bonn, Fraunhofer und ZBMED
  5. Prof. Dr. Jutta Gärtner (Universitätsklinikum Göttingen): Konzeption des Deutschen Zentrums für Kindergesund- heit und geplante Interaktion
  6. Prof. Dr. Manuela Neumann (DZNE): DZNE Brain Bank: Biomaterialbank zur Erforschung neurodegenerativer Erkrankungen
  7. Prof. Dr. Peter Schirmacher (Universitätsklinikum Heidelberg): Zentren für Personalisierte Medizin Baden-Württemberg - das Modell für eine nachhaltige und flächendeckende Implementierung innovativer Krankenversorgung
  8. Prof. Dr. Jürgen Wolf (Universitätsklinikum Köln): Implementing personalized lung cancer care in clinical routine: the national Network Genomic Medicine
  9. Frau Kron (Nationale Netzwerk Genomische Medizin – Lungenkrebs): Implementing personalized lung cancer care in clinical routine: the national Network Genomic Medicine Network organization and IT strategy

 

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