Pressemitteilung

Erreger aus der Tier­welt: Gefahr zoo­notischer Infektions­krank­heiten nimmt zu

Experten aus Veterinär­medizin, Human­medizin und Grund­lagen­forschung intensivieren die Zusammen­arbeit

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Die Bedeutung von übertragbaren Krankheiten nimmt in den letzten Jahren auch in den Industrieländern wieder zu. Dabei spielen Zoonosen als Krankheitserreger, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden können, eine große und wachsende Rolle. Um Gefahren frühzeitig zu erkennen und bekämpfen zu können, ist eine enge Zusammenarbeit von Veterinär- und Humanmedizin in Verbindung mit einer starken Grundlagen­forschung unerlässlich. Darauf wiesen Experten aus neun Verbünden zur Zoonosen-Forschung in einem Experten-Gespräch der TMF am 9. September 2008 in Berlin hin.

Grafik Insekt

Quelle: Lezh auf iStockPhoto

Unter anderem begünstigen heute die schnellen Reise- und Transport­möglichkeiten eine rasche Ausbreitung von Epidemien. Um dies zu verhindern, ist ein besseres Verständnis vom Übergang des Erregers auf einen neuen Wirt und der für das Überleben des Erregers wichtigen Voraussetzungen notwendig. Wie Prof. Dr. Stephan Ludwig  vom Institut für Molekulare Virologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster erläuterte, gehört das Monitoring zu den großen Zielen und Problemen bei der Bekämpfung der zoonotischen Erreger. Eine umfangreiche Beobachtung und Überwachung von Zoonose-Erregern in Wild- und Nutztieren sei erforderlich, um die Ausbreitung von Zoonose-Erregern so früh wie möglich zu erkennen. „Wir müssen wissen, wo Erreger und Vektoren vorkommen“, so Ludwig. Aus den so gewonnenen Erkenntnissen erarbeiten Wissenschaftler Bekämpfungsstrategien sowohl für Tierseuchen als auch für humanmedizinisch relevante Erkrankungen.

Eine zentrale Frage ist dabei auch, welche Eigenschaften ein Erreger haben muss, um vom Tier auf den Menschen überzugehen. Um dies zu beantworten, ist Ludwig zufolge fächerübergreifende Kooperation nötig: „Bakteriologen, Virologen und Parasitologen müssen mit Zellbiologen und Immunologen zusammenarbeiten. Nur so können sie das gesamte Wechselspiel der Erreger mit den Organismen genau erfassen“. Die bessere Vernetzung von Veterinär- und Humanmedizin verbunden mit einer starken Grundlagenforschung sei aus humanmedizinischer Sicht essentiell um frühzeitig Gefahren zu erkennen und bekämpfen zu können.

 

Zoonose-Forschungs­verbünde arbeiten an Frühwarn­systemen, Diagnostik und Therapie

Die Bundesregierung hat deshalb ressortübergreifende Förderinitiativen zum Thema Zoonose-Forschung gestartet. Neun Forschungsverbünde, die die gesamte Bandbreite von relevanten zoonotischen Erregern – Viren, Bakterien und Parasiten – abdecken, werden seit 2007 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert:

  • FBI-Zoo – Forschungsverbund für lebensmittel­bedingte zoonotische Infektionen beim Menschen (z.B. Salmonellose)
  • BOTULINOM – Forschungsverbund zum Botulismus
  • ZooMap – Verbund zur Erforschung des Mycobacteriums avium subsp. Paratuberculosis (Johne`sche Krankheit, Morbus Crohn)
  • Forschungsverbund Zoonotische Chlamydien
  • Forschungsverbund Q-Fieber
  • TOXONET01 – Forschungsverbund zur Toxoplasmose
  • Arboviren – Forschungsverbund für Anthropo-Borne Viruses (FSME, West-Nil-Fieber, Gelbfieber)
  • Forschungsverbund SARS
  • FLURESEARCHNET – Verbund zur Erforschung von Influenza A-Viren

Diese Forschungsverbünde arbeiten unter anderem an Methoden, die die Einrichtung eines Frühwarnsystems für neu auftretende zoonotische Erreger ermöglichen. Valide Diagnostika und automatisierte epidemiologische Echtzeit-Erfassungssysteme sind nach Ansicht von Prof. Dr. Lothar H. Wieler, Veterinärmediziner und Koordinators des Forschungsverbundes FBI-Zoo, „Kernelemente, die von Human- und Tiermedizinern gemeinsam erstellt und genutzt werden müssen“.

 

Wissenschaftliche Kooperation unter dem Dach der TMF

Seit März 2008 arbeiten die Zoonose-Verbünde in der TMF-Arbeitsgruppe Zoonosen und Infektionsforschung (AG ZI) zusammen. Die TMF hat die Entwicklung von fachübergreifenden generischen Lösungen zur Verbesserung der Organisation und Infrastruktur für die vernetzte medizinische Forschung zum Ziel. Sie organisiert und bündelt die übergreifende Zusammenarbeit ihrer Mitgliedsverbünde, zu denen auch die neun Zoonose-Verbünde gehören.

Die AG ZI arbeitet derzeit an verschiedenen übergreifenden Fragestellungen, wie etwa der Organisation des Transports hoch pathogener Erreger und der Koordination der Zusammenarbeit mit Bundesinstituten und Referenzzentren. Auch die infrastrukturelle Unterstützung bei der Anbahnung von Forschungsprojekten zwischen den Verbünden und die Information über Fördermöglichkeiten gehören zu den Aufgaben der Arbeitsgruppe.

Um die Forschungsarbeit der Zoonose-Verbünde noch besser zu koordinieren, ist darüber hinaus die Einrichtung einer bundesweiten Zoonose-Forschungsplattform geplant. Dort soll unter anderem eine Internetplattform mit interaktiven Datenbanken und Registern für Wissenschaftler eingerichtet werden. Durch den Aufbau von geeigneten Strukturen für die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern in der Zoonose-Forschung sollen Synergien freigesetzt und so die Prävention, Diagnose und Therapie von zoonotischen Infektionskrankheiten langfristig verbessert werden. Eine zentrale Aufgabe der Plattform liegt außerdem darin, „die Öffentlichkeit faktenorientiert, transparent und zuverlässig zu informieren“, so Ministerialdirigent Dr. Peter Lange, Abteilungsleiter ‚Lebenswissenschaften – Forschung für Gesundheit’ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

In einem jährlichen Workshop werden die Forschungsergebnisse aus den einzelnen Zoonose-Forschungsverbünden regelmäßig vorgestellt und die interdisziplinäre Zusammenarbeit vorangetrieben. Der nächste Workshop findet am 13. und 14. Oktober 2008 in Berlin statt.

Gesprächsrunde

In der Bibliothek der Kaiserin-Friedrich-Stiftung in Berlin diskutierten Journalisten und Experten über die aktuellen Anforderungen angesichts der zunehmenden Zahl von Erregern aus dem Tierreich. © TMF e.V.

Gesprächsrunde

Moderator PD Dr. Heinrich Neubauer (3. v. rechts), Koordinator des Forschungsverbundes Q-Fieber und Mitglied des TMF-Vorstands, führte durch das Gespräch. © TMF e.V.