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Für 35 Prozent aller Tumoren gibt es heute einen prädiktiven molekularen Test

Künftig wird es keine hochqualitative medizinische Forschung mehr ohne Biobanking geben

Das Publikum beim Biobanken-Symposium 2015

280 Biobanken-Nutzer und -Betreiber sowie Partner aus der Industrie nahmen an dem Symposium in Berlin teil. © TMF e.V.

„Für 35 Prozent aller Tumoren kennen wir heute prädiktive Biomarker, die eine gezielte Therapie erlauben. Die Grundlage für diese Entwicklung sind Biobanken.“ Dies sagte Prof. Dr. Manfred Dietel (Charité – Universitätsmedizin Berlin) in seiner Keynote im Rahmen des 4. Nationalen Biobanken-Symposiums, das am 9. und 10. Dezember 2015 in Berlin stattfand. „Die positive Entwicklung dieser Veranstaltung zeigt die Bedeutung, die das Thema Biobanken in den vergangenen Jahren gewonnen hat. Künftig wird es keine hochqualitative Forschung ohne Biobanking mehr geben“, betonte Prof. Dr. Michael Krawczak (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel), der das Symposium in seiner Rolle als Vorsitzender der TMF eröffnete.

Als „kritische Forschungswerkzeuge“ bezeichnete auch Dr. Rita Lawlor (University of Verona) die Sammlung von Bioproben, insbesondere auch für die Krebsforschung. Informationen aus genetischen Analysen sollten immer auch an die Biobank zurückgemeldet werden. So entstehe Mehrwert für künftige wissenschaftliche Untersuchungen. Das Nationale Biobanken-Symposium war 2012 durch das Deutsche Biobanken-Register, das von der TMF betrieben wird, ins Leben gerufen worden. Mittlerweile wird es gemeinsam mit dem German Biobank Node veranstaltet.

„Jede Population hat ihre eigenen seltenen Genvarianten“, sagte Patrick Sulem von deCODE genetics. Das isländische Unternehmen gehört zu den Pionieren des Biobanking und hat in den vergangenen 20 Jahren einen großen Anteil der isländischen Bevölkerung genotypisiert. Ziel ist die populationsbezogene Erforschung von Risikofaktoren von Volkskrankheiten. 2013 hatte die Arbeitsgruppe Biomaterialbanken der TMF die Biobank von deCODE genetics besichtigt.

Prof. Dr. Michael Krawczak

Prof. Dr. Michael Krawczak. © TMF e.V.

Prof. Dr. Manfred Dietel

Prof. Dr. Manfred Dietel. © TMF e.V.

Dr. Rita Lawlor

Dr. Rita Lawlor. © TMF e.V.

Patrick Sulem

Patrick Sulem. © TMF e.V.

Biobanking in Ge­samt-Forschungs­strate­gie ein­ge­bun­den 

Das Symposium stand unter der Überschrift „Biobankennetzwerke als Schrittmacher der medizinischen Forschung“. PopGen 2.0 ist ein Beispiel für ein solches Biobanken-Netzwerk an einem universitären Standort. Hier ist, wie Prof. Dr. Wolfgang Lieb (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel) berichtete, das Biobanking in eine Gesamt-Forschungsstrategie des Klinikums eingebunden.

Auch das „Leipziger Forschungszentrum für Zivilisationserkrankungen“, kurz LIFE, ist ein standortbezogenes Wissenschaftsnetzwerk, das auf einer Biobank basiert. Ziel von LIFE ist es, das Zusammenspiel von genetischen Anlagen, Stoffwechsel, Umweltbedingungen und individuellem Lebensstil zu ergründen. Dr. Ronny Baber (Universität Leipzig) erklärte, dass das Projekt gerade den Transfer vom epidemiologischen zum Phänotyp-basierten Biobanking vollziehe.

Dr. Ronny Baber

Dr. Ronny Baber. © TMF e.V.

Prof. Dr. Wolfgang Lieb

Prof. Dr. Wolfgang Lieb. © TMF e.V.

Jede lokale Bio­bank sol­lte in über­grei­fen­den Netz­wer­ken ver­tre­ten sein

Auch über den einzelnen Standort hinaus vernetzen sich Biobanken heute zunehmend. Diese Netzwerke dienen dem Informations- und Erfahrungsaustausch, der Vermittlung von Kontakten und der Sichtbarkeit nach außen wie nach innen. „Jede lokale Biobank sollte heute zumindest in einem Netzwerk vertreten sein, um mit den Neuerungen Schritt halten zu können“. Das betonte Prof. Dr. Berthold Huppertz, der die Biobank der Medizinischen Universität Graz leitet. Wichtig seien auch die Online-Portale und -Kataloge, die Informationen über Biobanken und die in ihnen gelagerten Proben und Daten bündeln. Er sehe in diesen Katalogen die Zukunft, allerdings gebe es hier noch viel Entwicklungsbedarf.

Auch Prof. Dr. Michael Hummel (Charité – Universitätsmedizin Berlin und Leiter des German Biobank Node) erklärte, dass sich Biobanken-Netzwerke zu immer wichtigeren Bestandteilen der nationalen und internationalen Forschung entwickelten. Die deutsche Biobank-Community sei durch eine lebhafte und sehr aktive Zusammenarbeit über die TMF-Arbeitsgruppe Biomaterialbanken gekennzeichnet. Insbesondere betonte er, dass die aktuelle BMBF-Ausschreibung zur Deutschen Biobanken-Allianz eine exzellente Chance für den Ausbau der vorhandenen Strukturen biete.

Mit dieser Ausschreibung hofft auch Dr. Roman Siddiqui (TMF) auf eine neue Welle von Eintragungen im Deutschen Biobanken-Register: „Die Vorgaben der Förderer spielen hier eine wichtige Rolle!“ Das habe sehr deutlich bereits die Ausschreibung zur Nationalen Biobanken-Initiative 2010 gezeigt: Am letzten Tag der Einreichungsfrist für die Anträge sei die Zahl der Eintragungen von gut zwanzig schlagartig auf 80 gestiegen. Wichtig sei neben der Vollzähligkeit der Eintragung auch deren Vollständigkeit, auch hierfür sollten geeignete Anreize geschaffen werden.

Univ.-Prof. Dr. Berthold Huppertz

Univ.-Prof. Dr. Berthold Huppertz. © TMF e.V.

Prof. Dr. Michael Hummel

Prof. Dr. Michael Hummel. © TMF e.V.

Dr. Roman Siddiqui

Dr. Roman Siddiqui. © TMF e.V.

Proben­quali­tät mit Blick auf den Ver­wen­dungs­zweck be­ur­tei­len

„Die Qualität von Proben muss immer im Zusammenhang mit dem Verwendungszweck beurteilt werden.“ Das betonte PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf (Universitätsklinikum Jena) zu Beginn der Session zum Thema Standardisierung und Qualitätsmanagement. „Die meisten Fehler passieren in der Präanalytik, so beispielsweise in der Hygiene bei der Blutabnahme“, berichtete in diesem Zusammenhang Dr. Karin Schlüter (BD Diagnostics – Preanalytical Systems, Heidelberg).

Prof. Dr. Peter Schirmacher bezog sich in seinem Vortrag auf das Erfolgsmonitoring von Biobanken. Hier könnten sowohl numerische als auch strukturelle Kriterien herangezogen werden. Allerdings mahnte er: „Werden Parameter für Begutachtungen gefordert, müssen auch entsprechende Maßnahmen gefördert werden.“

PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf

PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf. © TMF e.V.

Prof. Dr. Peter Schirmacher

Prof. Dr. Peter Schirmacher. © TMF e.V.

Dr. Karl-Friedrich Becker

Dr. Karl-Friedrich Becker. © TMF e.V.

Dr. Katrin Schlüter

Dr. Katrin Schlüter. © TMF e.V.

Dr. Gabriele Anton

Dr. Gabriele Anton. © TMF e.V.

Vertrauens­­ver­hält­nis­se in der IT ab­bil­den

Dateninteroperabilität ist eine große Herausforderung, gerade auch für den Aufbau der IT-Infrastrukturen für Biobank-Netzwerke. Verschiedene europäische Initiativen bauen hier derzeit Unterstützungsmaßnahmen auf. So soll der Common-Service IT in BBMRI-ERIC künftig Expertise, Services und Tools bereitstellen. Prof. Dr. Frank Ückert (Universitätsmedizin Mainz) betonte auch einen nicht-technischen Aspekt: „Es muss um Vertrauensverhältnisse gehen, und die bilden wir in der IT ab.“

Die Einführung von Biobank-Management-Systemen an den Standorten reduziert die Komplexität: „Darauf können wir die weitere Vernetzung aufbauen“, sagte Ines Leb (FAU Erlangen-Nürnberg). Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch (FAU Erlangen-Nürnberg) wies allerdings darauf hin, dass die Biobank-Management-Systeme nicht isoliert betrachtet werden dürften: „Man muss auch die Data Warehouse-Systeme an den Standorten berücksichtigen“. 

Prof. Dr. Frank Ückert

Prof. Dr. Frank Ückert. © TMF e.V.

Prof. Dr. Petr Holub

Prof. Dr. Petr Holub. © TMF e.V.

Dr. Markus Kersting

Dr. Markus Kersting. © TMF e.V.

Ines Leb

Ines Leb. © TMF e.V.

Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch

Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch. © TMF e.V.

Ein Alb­traum für je­den Bio­ban­ker

„Die Vorstellung, dass eine Biobank überschwemmt wird oder dass es brennt, ist ein Albtraum für jeden Biobanker und für jeden Wissenschaftler, der mit Proben forscht. Eine Versicherung hilft da wenig“, sagte Prof. Dr. Thomas Illig, Leiter der Hannover Unified Biobank. Mehrere Biobanken in Norddeutschland hätten sich zu einer Allianz zusammengeschlossen und zögen nun in Erwägung, gegenseitig jeweils einen Teil der Proben als Back up zu lagern. Hierbei sind jedoch noch zahlreiche Fragen zu klären.

Zumindest hinsichtlich der IT-Anforderungen konnte Dr. Sara Y. Nußbeck (Universitätsmedizin Göttingen) zeigen, dass diese sich nicht grundlegend von den normalen Biobankprozessen unterscheiden. Die größte Herausforderung werde es sein zu definieren, welche Proben an eine andere Biobank ausgelagert werden sollten.

Prof. Dr. Thomas Illig

Prof. Dr. Thomas Illig. © TMF e.V.

Dr. Vincent Walcke-Wulffen

Dr. Vincent Walcke-Wulffen. © TMF e.V.

Dr. Sara Y. Nußbeck

Dr. Sara Y. Nußbeck. © TMF e.V.

Dr. Anne Cambon-Thomsen

Dr. Anne Cambon-Thomsen. © TMF e.V.

Große Bio­ban­ken brau­chen pro­fes­sion­el­les Be­ziehungs­­manage­ment

Auch ethische Themen und Anforderungen des Public engagement wurden im Symposium angesprochen. So forderte Matthias Brumhard, Mitglied der Ethik-Kommission des Fachbereiches Medizin der Universität Gießen und stellvertretender Sprecher der Arbeitsgruppe Biobanken beim Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen in der Bundesrepublik Deutschland e.V., die Rahmenbedingungen für den Nicht-Forschungsbereich im Biobanking zu definieren.

Wiebke Lesch (Interdisziplinäre Biomaterial- und Datenbank Würzburg) betonte, dass insbesondere große Biobankeninfrastrukturen, bei denen sich die Einwilligung zur Probenspende nicht mehr unbedingt aus dem direkten Kontakt und Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ergibt, ein professionelles Beziehungsmanagement mit den aktuellen und künftigen Probenspendern aufbauen müssten. Hierzu gehöre beispielsweise, so die Ergebnisse einer strukturierten Befragung von Probenspendern, klar zu kommunizieren, dass keine individuellen Ergebnisse zurückgemeldet werden, und zugleich allgemeine Informationen über die Ergebnisse der Forschung bereitzustellen. Die Untersuchung war Teil der Konzeptphase im German Biobank Node (GBN) und umfasste auch die qualitative Auswertung von Interviews mit wissenschaftlichen Biobanken-Nutzern und Biobank-Betreibern. Antje Schütt (TMF) berichtete, welche Kommunikationsaufgaben sich nach dieser Analyse für die Biobanken ergeben und wie GBN sie künftig mit generischen Materialien und Beratung bei der Umsetzung dieser Aufgaben unterstützen könnte.

Prof. Dr. Nils Hoppe

Prof. Dr. Nils Hoppe. © TMF e.V.

Matthias Brumhard

Matthias Brumhard. © TMF e.V.

Wiebke Lesch

Wiebke Lesch. © TMF e.V.

Antje Schütt

Antje Schütt. © TMF e.V.

Prof. Dr. Roland Jahns

Prof. Dr. Roland Jahns. © TMF e.V.

Poster prämiert

Für die drei besten Poster wurden Preise vergeben: Den ersten Preis erhielt Norman Zerbe (Charité - Universitätsmedizin Berlin) für die Darstellung einer Lösung zur Steigerung der Pervormance und Reduktion des Speicherbedarfs bei der Verwaltung großer Datenbsteände. Björn Lindequist (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin) wurde für sein Poster "Innovative Technologien für Biobanken" ausgezeichnet. Jörg Fuchs (Interdisziplinäre Biomaterial- und Datenbank) wurde Drittplatzierter mit seinem Poster zum Thema "Wahrnehmung von Biobanken in der Öffentlichkeit".

PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf & Björn Lindequist

PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf & Gewinner des Posterpreises Björn Lindequist. © TMF e.V.

PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf & Jörg Fuchs

PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf & Gewinner des Posterpreises Jörg Fuchs. © TMF e.V.

PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf & Norman Zerbe

PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf & Gewinner des Posterpreises Norman Zerbe. © TMF e.V.

Das Programmkomitee des 4. Nationalen Biobanken-Symposiums

Das Programmkomitee des 4. Nationalen Biobanken-Symposiums (v.l.n.r.: Prof. Dr. Michael Krawczak, PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf, Sebastian C. Semler, Dr. Sara Y. Nußbeck, Prof. Dr. Michael Hummel, Prof. Dr. Roland Jahns, Prof. Dr. Thomas Illig. Auf dem Bild fehlen: Prof. Dr. Matthias Nauck, Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch und Prof. Dr. Peter Schirmacher). © TMF e.V.