Kräfte bündeln für die medizinische Forschung
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Seit der Ausgründung der TMF als Verein im Jahr 2003 sitzt Professor Dr. med. Ulrich R. Fölsch der Dachorganisation für die vernetzte medizinische Forschung vor. Er vertritt darin auch das Kompetenznetz Chronischentzündliche Darmerkrankungen, dessen Sprecher er ist. Im Gespräch mit DGIM aktuell berichtet Professor Fölsch über die Arbeit der TMF und die veränderten Rahmenbedingungen für medizinische Forschung.
Prof. Dr. U.R. Fölsch © TMF e.V.
Das Interview erschien in der DGIM aktuell 3/2009, dem Newsletter der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Die TMF bedankt sich für die Möglichkeit, das Interview auch auf ihrer Website wiederzugeben.
Herr Professor Fölsch, bevor wir über gewachsene Anforderungen an medizinische Forschung – und damit an die TMF – sprechen, möchten wir erfahren, worin die Hauptaufgaben der Plattform bestehen?
Prof. Fölsch: Das große Ziel unserer gemeinsamen Arbeit ist es, die medizinische Forschung, die ja heute längst nicht mehr auf einen Standort beschränkt ist, zu unterstützen. Das betrifft organisatorische Fragen ebenso wie die Bereitstellung von Infrastruktur. Wesentlich sind dabei meiner Meinung nach zwei Aspekte:
Das ist zum einen der Austausch der Forscher untereinander – über alle Forschungsnetze, Standorte und Disziplinen hinweg. Die Wissenschaftler kommen in thematisch abgesteckten Arbeitsgruppen zusammen.
Zum anderen sind es die Lösungen, die die TMF entwickelt und bereitstellt, um die medizinische Forschung zu unterstützen. Das können Konzepte sein, beispielsweise zum Thema Datenschutz, oder auch Checklisten, Musterverträge, Gutachten und Software-Werkzeuge.
Wie kann man sich die Arbeitsweise der TMF vorstellen? Treten Mitglieder mit konkreten Fragestellungen an Sie heran?
Prof. Fölsch: Das Herzstück unserer Arbeit sind die Arbeitsgruppen. Dort kommen die jeweiligen Experten aus den Forschungsnetzen zu ganz verschiedenen Themen zusammen: Datenschutz, Biobanken, Management klinischer Studien, Molekulare Medizin, Medizintechnik oder Zoonosen und Infektionskrankheiten.
Wenn sich in den Diskussionen einer Arbeitsgruppe zeigt, dass ein Problem viele Forschungsprojekte betrifft und wenn keine kommerzielle Lösung verfügbar ist, dann können sich Forscher zusammentun und in der Arbeitsgruppe einen Projektantrag abstimmen. Dieser kann dann dem TMF-Vorstand vorgelegt werden, der darüber entscheidet, ob die TMF ein entsprechendes Projekt fördert – oder auch, ob er das Projekt zur externen Förderung empfiehlt. Mit diesem mehrstufigen Verfahren ist eine hohe Qualität der Anträge sichergestellt.
Sind die Produkte der TMF, wie etwa Checklisten, Konzepte, IT-Infrastruktur etc., ausschließlich den Mitgliedern zugänglich?
Prof. Fölsch: Das ist eine wichtige Botschaft an alle forschenden DGIM-Mitglieder: Die Produkte der TMF stehen allen Forschern in der Regel frei zur Verfügung! Den Mitgliedern vorbehalten ist die Teilnahme an den Arbeitsgruppensitzungen und damit die aktive Steuerung der gemeinsam zu erarbeitenden Lösungen.
Die TMF ist zeitgleich mit den 1999 gegründeten Kompetenznetzen in der Medizin initiiert worden. Was gab den Ausschlag für eine gemeinsame Plattform und wie hat sich diese formiert?
Prof. Fölsch: Als das BMBF die erste Ausschreibung für die Kompetenznetze in der Medizin – und auch die Ausschreibung für die ersten Koordinierungszentren für Klinische Studien – plante, wurde in den Diskussionen bald deutlich, dass man erst einmal geeignete Infrastrukturen aufbauen muss, um mit Daten, die an verschiedenen Standorten gewonnen und gespeichert werden, überhaupt vernünftig umgehen zu können. Anfangs stellte man sich das alles sehr technisch vor – das hört man auch noch an unserem Namen „Telematikplattform“, der unserer heutigen thematischen Breite eigentlich gar nicht mehr gerecht wird.
In den ersten Jahren, in denen die TMF ein klassisches Förderprojekt des BMBF war, ist deutlich geworden, dass dieses Instrument nur richtig leben kann, wenn es noch viel stärker in den Händen der Forscher liegt. Diese Erkenntnis war einer der Hauptgründe für das Ministerium, 2003 die Vereinsgründung und damit die Verselbstständigung der TMF voranzutreiben.
Seit 2003 hat sich das Themenspektrum der TMF enorm erweitert. Dazu haben zum einen neue regulatorische Anforderungen geführt: Die Arbeitsgruppe Management klinischer Studien wurde beispielsweise initiiert, als sich 2004 mit der Novellierung des Arzneimittelgesetzes die Rahmenbedingungen für die Durchführung nichtkommerzieller klinischer Studien drastisch verändert hatten. Die TMF konnte hier ganz rasch reagieren und Schulungen, Checklisten sowie Standard Operating Procedures (SOPs) bereitstellen. Zum anderen sind aber auch mit neuen Mitgliedern oder ganzen Mitgliedergruppen neue Themen in die TMF hineingetragen worden.
Wie haben sich die Anforderungen an die TMF seither geändert? Sie vertreten ja zudem die Interessen Ihrer Mitglieder gegenüber Dritten, wie zum Beispiel dem Gesetzgeber.
Prof. Fölsch: Die TMF wird immer häufiger um Rat gefragt. Sei es durch das Büro für Technikfolgenabschätzung, das 2005 im Auftrag der Bundesregierung ein Gutachten zum Thema Biobanken erstellt hat – Lösungen und Konzepte der TMF sind hier maßgeblich mit eingeflossen. Oder sei es beispielsweise in den Diskussionen zum Gendiagnostikgesetz, zu dem die TMF schriftlich und mündlich Stellung genommen hat. Hier haben sich die Arbeitsgruppen Biomaterialbanken und Molekulare Medizin sehr verdient gemacht.
Diese Form der Einmischung wünschen sich auch die Mitglieder immer stärker von uns – und mittlerweile haben wir mit mehr als 70 Forschungsverbünden ja auch das entsprechende Gewicht.
Welcher Art ist die Zusammenarbeit zwischen der TMF und den medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften, wie etwa der DGIM?
Prof. Fölsch: Hier möchte ich ganz besonders auf eine Lösung hinweisen, die unter dem Dach der TMF entwickelt wurde und die für die Fachgesellschaften sehr interessant ist: Unser Autorenportal zur Entwicklung von S3-Leitlinien, mit dem sich die aufwendigen Abstimmungsprozesse deutlich beschleunigen und nicht zuletzt auch die Kosten drastisch reduzieren lassen. Das Portal wird von der Medizinischen Klinik I an der Charité unter der Leitung von Professor Martin Zeitz betrieben. Wir haben mit der Charité einen Rahmenvertrag geschlossen, der einen dauerhaften Betrieb ermöglicht.
Schon bei der Entwicklung des Portals haben wir eng mit dem Arbeitskreis wissenschaftlich medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) zusammengearbeitet. Wesentlich war auch die Bereitschaft von Fachgesellschaften, im Rahmen konkreter Leitlinienentwicklungen die entwickelte Infrastruktur zu pilotieren. Mit der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) haben wir schon vor einiger Zeit einen langfristigen Nutzungsvertrag geschlossen, und mehrere Leitlinien-Entwicklergruppen verschiedener Fachgesellschaften haben mittlerweile begonnen, das Portal für die Entwicklung oder Aktualisierung ihrer Leitlinien zu nutzen.
Was motiviert Sie persönlich, sich in der TMF zu engagieren?
Prof. Fölsch: Ich bin schon lange davon überzeugt, dass wir in der Medizin gemeinsam, vernetzt forschen müssen. Die Fragestellungen in der medizinischen Forschung werden immer komplexer und können nur durch die Vernetzung der Forschungsinstitute und die enge Anbindung zwischen Forschern und Versorgern beantwortet werden. So bin ich anfangs zur TMF gekommen.
Im Laufe der Zeit ist mir auch immer klarer geworden, wie viel Infrastruktur notwendig ist, wenn man gemeinsam Biomaterialien sammeln oder Daten austauschen will. Durch die Arbeit in der TMF habe ich gelernt, wie sinnvoll es ist, bestimmte Instrumente gemeinsam zu entwickeln und allen Forschern zur Verfügung zu stellen. Diese Überzeugung möchte ich noch weiter in die Forschergemeinschaft tragen, um den Kulturwandel, der mit den Kompetenznetzen und vielen anderen Forschungsnetzwerken angestoßen worden ist, voranzubringen.
Vielen Dank für das Gespräch
Kontakt:
Professor Dr. med. Ulrich R. Fölsch
1. Medizinische Klinik für
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