Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung
Berlin, 4. Dezember 2025. Gemeinsame Stellungnahme von AKTIN, DNVF, GMDS und TMF.
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Folgende Organisationen haben an der Stellungnahme mitgewirkt und tragen diese mit:
- Aktionsbündnis zur Verbesserung der Kommunikations- und Informationstechnologie in der Intensiv- und Notfallmedizin (AKTIN) e. V.
- Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung (DNVF) e. V.
- Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) e. V.
- Technologie und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF) e. V.
Zum Gesetzentwurf allgemein:
Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung markiert einen Paradigmenwechsel von erheblicher Tragweite und ist in den avisierten Zielen grundsätzlich zu begrüßen.
Als methodenorientierte Gesellschaften mit Expertise in den Bereichen der Digitalisierung im Gesundheitswesen, in der Notfall- und Akutmedizin sowie in der Versorgungsforschung sehen wir drei Themenfelder, in denen relevante Nachbesserungen erforderlich sind:
1. Digitalisierung und Interoperabilität
Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Referentenentwurf die Digitalisierung sämtlicher Bereiche der Notfall- und Akutversorgung verbindlich vorsieht. Kaum ein medizinischer Bereich ist jedoch in vergleichbarem Maße auf eine sektorenübergreifend durchgängige Interoperabilität angewiesen. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen hierbei zwei zentrale Aspekte: erstens kann Interoperabilität nur gelingen, wenn Dokumentationsinhalte harmonisiert und fachlich definierte Mindeststandards für Datenstrukturen und Schnittstellen etabliert sind. Zweitens müssen diese Standards von jenen Expert:innen getragen werden, die über ausgewiesene Kompetenz in Akut- und Notfallmedizin, Versorgungsforschung, Informationswissenschaft und digitaler Dokumentation verfügen, um praxisnahe Spezifikationen, hohe Akzeptanz und einen effizienten Einsatz öffentlicher Mittel zu gewährleisten.
1.1. Harmonisierung der Dokumentation als Voraussetzung für Interoperabilität
Die Definition und fortlaufende Aktualisierung eines einheitlichen, sektorenübergreifenden Kerndatensatzes, die Definition von Mindeststandards und Harmonisierung der Dokumentation ist Voraussetzung für jede interoperable digitale Infrastruktur. Vor diesem Hintergrund ist es zwingend erforderlich, dass diese Aufgabe durch einschlägige wissenschaftliche Fachgesellschaften, Registerträger und methodische Fachverbünde gestaltet wird. Nur so kann gewährleistet werden, dass die darauf aufbauenden Kommunikations- und Interoperabilitätsstandards praxistauglich, inhaltlich valide und anschlussfähig sind. Hierbei sollte konsequent auf bestehenden und bereits breit implementierten Standards aufgebaut werden. Das betrifft insbesondere
- das DIVI-Notaufnahmeprotokoll, implementiert in HL7-CDA und FHIR für den Bereich der Notaufnahmen
- den MIND-Datensatz 7.0 / DIVI Notfalleinsatzprotokoll 7.0 für die präklinische Versorgung.
Diese Datensätze wurden über Jahre durch die DIVI Sektion Notfalldokumentation entwickelt, evaluiert und technisch implementiert. Sie stellen damit die logische Grundlage für entsprechende Spezifikationen dar.
Um den begonnenen Prozess systematisch und qualitätsgesichert weiterzuentwickeln, schlagen wir die Einrichtung einer Kommission für die Entwicklung der inhaltlichen Vorgaben vor, die maßgeblich von den relevanten Fachgesellschaften, Registerträgern und Verbünden zusammengesetzt wird. Die Kommission erarbeitet verbindliche fachliche Vorgaben für die zur Spezifikation ermächtigten Organisationen. Die Arbeit der Kommission, sowie zu beauftragende Arbeiten zur Entwicklung oder zum fachlichen Abgleich von Inhalten verschiedener Entwürfe oder Abstimmung mit internationalen Standards ist zu vergüten. Die vorgeschlagenen Strukturen zur aktiven Einbindung klinischer und wissenschaftlicher Expertise können als Vorlage für die Standardisierung in anderen Bereichen des Gesundheitswesens dienen.
1.2. Konsequente Einführung digitaler Technologien entlang der „Digitalen Rettungskette“
Digitale Systeme können ihren Nutzen nur entfalten, wenn alle beteiligten Akteure entlang der digitalen Rettungskette (Bienzeisler J, Bax SN, Schunk D, Wrede C, Erdmann B, Walcher F: Notfallversorgung: Die digitale Rettungskette. Dtsch Arztebl 2024; 121(12): A-828 / B-712.) über kompatible Technologien und standardisierte Schnittstellen verfügen. Wird ein Glied dieser Kette nicht digital eingebunden, entstehen nicht nur ineffiziente Parallelstrukturen und Informationsdefizite sondern auch erhebliche Risiken für eine konsistente Patientenversorgung und -steuerung. Der zu erwartende Kosten-Nutzen-Effekt bleibt aus.
Daher bedarf es verbindlicher, klar terminierter Fristen, bis wann welche Digitalisierungsschritte umzusetzen sind. Bei Überschreitung dieser Fristen müssen definierte Sanktionen vorgesehen werden, um sicherzustellen, dass die Reformziele – insbesondere Interoperabilität, Nahezu-Echtzeitfähigkeit und Evidenzgenerierung – tatsächlich erreicht werden können.
2. Evidenzgesteuerte Notfallversorgung
Wir begrüßen ausdrücklich die Einführung strukturierter Abfrageverfahren, digitaler Entscheidungsunterstützungssysteme in der Notrufabfrage sowie standardisierter Ersteinschätzungsverfahren in Integrierten Notfallzentren (INZ). Diese Abfragesysteme eröffnen substanzielle Potenziale für eine qualitativ hochwertige, sichere und evidenzbasierte Patientensteuerung. Zugleich handelt es sich um hochrelevante Instrumente, deren Entscheidungen den weiteren Versorgungsprozess maßgeblich prägen. Gemessen an der sehr hohen Relevanz dieser Abfragesysteme, müssen auch die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit, Validität und Sicherheit dieser Systeme entsprechend hoch sein. Um eine patientensichere und evidenzbasierte Nutzung dieser Verfahren zu gewährleisten, sind aus unserer Sicht folgende Ergänzungen im Gesetz zwingend erforderlich:
2.1. Validierung, Zweckbestimmung und kontinuierliche wissenschaftliche Evaluation
Regelbasierte oder algorithmische Systeme zur Ersteinschätzung und Patientensteuerung dürfen ausschließlich im Rahmen ihrer definierten Zweckbestimmung eingesetzt werden. Ein Einsatz außerhalb dieser Zweckbestimmung birgt erhebliche Risiken für Versorgungsprozesse, Ergebnisqualität und Patientensicherheit. Daher ist gesetzlich zu verankern:
- Prospektive Validierung vor Einführung: Die eingesetzten Systeme müssen vor ihrer Implementierung mit adäquater wissenschaftlicher Methodik validiert werden – insbesondere hinsichtlich Leistung, Sicherheit, Effizienz sowie Auswirkungen auf Prozess- und Ergebnisqualität.
- Kontinuierliches Monitoring und Re-Evaluation: Da sich Versorgungsrealität, epidemiologische Lagen und sektorale Strukturen kontinuierlich verändern, bedarf es eines fortlaufenden wissenschaftlichen Monitorings sowie regelmäßig wiederholter Validierungsstudien. Insbesondere sollten hier unerwünschte Effekte in Subgruppen evaluiert werden. Um diese ausreichend in Daten identifizieren zu können, sollte ein Minimalset an soziodemographischen Angaben in der Notfalldokumentation berücksichtigt werden.
- Neutrale, sektorenübergreifende Evaluation: Die Evaluation sollte durch unabhängige, wissenschaftlich ausgewiesene Institutionen erfolgen und sektorenübergreifend angelegt sein. Wir schlagen vor, die Koordination beim G-BA zu verankern, um methodische Qualität, Unabhängigkeit und nachhaltige Finanzierung sicherzustellen.
2.2. Interoperabilität und sektorenübergreifende Abstimmung der Abfragesysteme
Digitale Abfragesysteme müssen konsequent aufeinander abgestimmt sein. Die erhobenen Angaben müssen mit den sektorenübergreifenden Dokumentationsstandards und Interoperabilitätsprofilen harmonisiert sein, um Mehrfachdokumentation, Medienbrüche und Übertragungsfehler zu vermeiden. Die Abstimmung sollte durch die oben vorgeschlagene Interoperabilitätskommission erfolgen und verbindlich sektorenübergreifend geregelt werden.
2.3. Einheitliche, abgestimmte Systeme für Ersteinschätzung und Patientensteuerung im INZ
Die Abfragesysteme zur Ersteinschätzung und Patientenlenkung innerhalb der INZ müssen inhaltlich, prozessual und technisch aufeinander abgestimmt sein. Ersteinschätzung und Steuerungsentscheidung müssen innerhalb eines einheitlichen, interoperablen Verfahrens erfolgen, sodass redundante Abfragen entfallen und eine konsistente Priorisierung gewährleistet ist. Ein solches System ist unter Einbindung der Fachgesellschaften zu entwickeln, technisch umzusetzen, wissenschaftlich zu evaluieren und kontinuierlich fortzuschreiben.
2.4. Bundesweites Notfallregister als Grundlage für evidenzbasierte Notfallversorgung
Auf Basis der oben genannten Harmonisierung und Standardisierung der Daten empfehlen wir, ein bundesweites, sektorenübergreifendes Notfallregister zu etablieren. Dieses Register muss objektive Qualitätskennzahlen für alle Bereiche der Notfall- und Akutversorgung abbilden, Benchmarking, Kostenanalysen und qualitätsorientiertes Monitoring ermöglichen, Versorgungsforschung, Public Health und Surveillance unterstützen und die Grundlage einer lernenden Notfallversorgung bilden.
Um sowohl erhebliche finanzielle Ressourcen als auch langjährig notwendige Entwicklungszeit einzusparen, ist es sinnvoll und nachhaltig, auf bestehende Strukturen zurückzugreifen.
2.5. Kapazitätennachweis als Bestandteil evidenzbasierter Steuerung
Der im Gesetz verankerte digitale Versorgungskapazitätennachweis ist ein zentrales Element einer evidenzbasierten Patientensteuerung. Damit er seine Wirkung entfalten kann, ist die Abbildung realer Ressourcen moderner Notfallstrukturen, Echtzeitfähigkeit und Aktualität, Anschlussfähigkeit an Registerstrukturen und verpflichtende Nutzung / Standardisierung von
Schnittstellen essenziell.
Es bedarf eines bundesweit einheitlichen Standards für die Kapazitätsnachweise. Für die hierfür notwendige fachliche Kompetenz sind die medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften maßgeblich einzubringen.
3. Kontinuierliche wissenschaftliche Evaluation und Versorgungsforschung:
Der Referentenentwurf zur Reform der Notfallversorgung greift tief in die Strukturen der Akutund Notfallversorgung ein. Parallel hierzu wird die stationäre Versorgung durch die Einführung von Leistungsgruppen grundlegend neu ausgerichtet. Die kombinierten Effekte beider Reformprozesse auf Versorgungsrealität, Prozessqualität und Patient:innenoutcome sind komplex und zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht valide prognostizierbar. Um Fehlsteuerungen, regionale Ungleichheiten oder unbeabsichtigte Qualitätsverluste frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern, ist eine umfassende, unabhängige und methodisch robuste und prozessbegleitende Versorgungsforschung zwingend erforderlich.
Zur Sicherstellung einer derartigen Evaluation sind folgende Ergänzungen im Gesetz erforderlich:
- Die kontinuierliche wissenschaftliche Evaluation muss strukturiert koordiniert und verlässlich finanziert werden. Um Unabhängigkeit, Objektivität und methodische Qualität sicherzustellen, darf die Verantwortung hierfür nicht bei den unmittelbar verantwortlichen Akteuren der Notfallversorgung liegen.
- Alle im Rahmen der Notfallversorgung digital erhobenen Daten sollen von den jeweils beteiligten Institutionen entlang der digitalen Rettungskette zu den Zwecken des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GDNG weiterverarbeitet werden dürfen. Dies umfasst:
- die einrichtungsübergreifende Verknüpfung der Daten
- die Nutzung für Eigenforschung der Institutionen ohne Einwilligung, sofern die gesetzlich definierten Voraussetzungen des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes (GDNG) erfüllt sind
- die Nutzung für Qualitätssicherung, Public Health und wissenschaftliche Evaluation.
- Für eine methodisch robuste, kontinuierliche wissenschaftliche Evaluation ist zudem erforderlich, dass Patient:innenfälle der Notfallversorgung systematisch und mit ausreichender diagnostisch-prozessualer Präzision identifizierbar sind. Nur wenn Notfallbehandlungen eindeutig von anderen Versorgungsanlässen abgegrenzt und den relevanten Versorgungspfaden zugeordnet werden können, lassen sich Steuerungswirkungen, Qualitätsentwicklungen und Ergebnisparameter valide analysieren. Die Gesetzgebung sollte daher sicherstellen, dass die digitale Dokumentation die hierfür notwendigen strukturierten Angaben enthält und eine konsistente Identifikation der betreffenden Patient:innenfälle und Leistungserbringer sektorenübergreifend ermöglicht.
Alle digital erfassten Daten der Notfallversorgung sollen systematisch für Zwecke der Versorgungsforschung verfügbar gemacht werden. Dies umfasst sowohl die Nutzung durch wissenschaftliche Einrichtungen im Rahmen qualifizierter Zugangswege, als auch die Möglichkeit, diese Daten mit bestehenden qualifizierten Registern interoperabel zu verknüpfen. Eine solche Datenbasis ist Voraussetzung, um die Notfallreform evidenzbasiert zu begleiten, Steuerungseffekte abzuschätzen und ein langfristig lernendes System zu etablieren.
Abschließend ist zu verdeutlichen, dass sämtliche Regelungen der Notfallreform für alle Notfallpatient:innen gelten müssen – unabhängig vom Versicherungsstatus. Eine Beschränkung der gesetzlichen Vorgaben auf Versicherte der GKV würde dem Grundprinzip der Gleichbehandlung im Notfall, den medizinethischen Standards sowie den praktischen Erfordernissen einer sektorenübergreifenden Notfallversorgung widersprechen.
Stellungnahme zur Notfallreform
Name des Vereins / des Verbandes / der Fachgesellschaft:
- AKTIN - Aktionsbündnis zur Verbesserung der Kommunikations- und Informationstechnologie in der Intensiv- und Notfallmedizin e. V.
- Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung (DNVF) e. V.
- Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) e. V.
- TMF – Technologie und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V
Version 2.0 / Datum: Finalisierung 04.12.2025
Nr. im Entw.
- 1
Vorschrift
- § 27
Stichwort
- Folgeänderung zu § 30 SGB V
Stellungnahme
Art. 1: Änderungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
Die Aufnahme der Leistungen der medizinischen Notfallrettung in SGB V bewerten wir als Fortschritt.
Mit dieser Aufwertung der Notfallversorgung sollte der Aufbau einer transparenten und datenbasierten Qualitätssicherung zur kontinuierlichen Evaluation der Struktur-/Prozess- und Ergebnisqualität sein.
Die Einordung der medizinischen Notfallrettung als eigener Leistungsbereich muss explizit mit dem Auftrag zur digitalen, standardisierten Dokumentation und registerbasierten Qualitätssicherung verknüpft werden.
Dabei soll auf bereits existierende und mit öffentlichen Mitteln geförderten Infrastrukturen aufgebaut werden.
Nr. im Entw.
- 2
Vorschrift
- § 30
Stichwort: Einführung eines Anspruchs auf medizinische Notfallrettung
- Voraussetzung: Definition rettungsdienstlicher Notfall
- Leistungsbestandteile: Notfallmanagement, notfallmedizinische Versorgung und Notfalltransport
- Notfallmanagement als Vermittlung der erforderlichen Hilfe auf der Grundlage einer digitalen standardisierten Abfrage einschließlich telefonischer Anleitung lebensrettender Sofortmaßnahmen und Einbindung von Ersthelfern durch auf digitalen Anwendungen basierende Ersthelferalarmierungssysteme
- Notfallmedizinische Versorgung vor Ort und während des Transports durch Rettungsfachpersonal und bei medizinischer Notwendigkeit durch Notärzte
- Notfalltransport in nächste geeignete Einrichtung und medizinisch zwingende Verlegungen
- Zuzahlung
Stellungnahme
Die Trias aus Notfallmanagement, notfallmedizinischer Versorgung und Notfalltransport bildet den Versorgungsprozess sachgerecht ab. Alle drei Leistungsbestandteile müssen digital, interoperabel und sektorenübergreifend dokumentiert werden, auch um die gewonnenen Daten für Qualitätssicherung, Registerforschung und Versorgungsplanung nutzbar zu machen. Abfragealgorithmen sollten evidenzbasiert und interoperabel eingesetzt werden (inkl. regelmäßiger wissenschaftlicher Evaluation).
Die digitale Notrufabfrage muss inhaltlich und technisch mit der späteren Notfalldokumentation harmonisiert werden (standardisierter Datensatz / semantische und syntaktische Annotation). Bei der digitalen standardisierten Abfrage dürfen Fehleinschätzungen im Grenzbereich bei sachgerechter Systemanwendung nicht zu Lasten der Leistellenmitarbeitenden gehen, um Defensiveinsatz (Über-/Untertriage) zu vermeiden.
Notfallmedizinische Versorgung muss grundsätzlich digital dokumentiert werden. Bei der Übermittlung über die Telematikinfrastruktur sollten vorhandene Patientendaten (eMP, ePA etc.) standardisiert eingebunden werden.
Um den neuen Leistungsanspruch zu evaluieren, sind belastbare Qualitätsindikatoren (Struktur-/Prozess- und Ergebnisqualität inkl. Wiedervorstellungsrate) erforderlich.
Notfalltransport: Die Steuerung kann nur dann patientenzentriert und effizient erfolgen, wenn diese Kapazitätsinformationen mit den im Rettungsdienst und in den Notaufnahmen dokumentierten Routinedaten zusammengeführt und in Echtzeit nutzbar gemacht werden.
Nr. im Entw.
- 6
Vorschrift
- § 75
Stichwort: Modifikation des Sicherstellungsauftrages der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) für die notdienstliche Akutversorgung
- Definition und Umfang notdienstlicher Akutversorgung
- Akutleitstelle, Erreichbarkeitsanforderungen und Vermittlungsreihenfolge
Stellungnahme
Die Definition der notdienstlichen Akutversorgung präzisiert den Sicherstellungsauftrag, was als hochrelevant zu werten ist.
Die 24/7/365 verpflichtende Einrichtung von Akutleitstellen mit digitalem Ersteinschätzungsverfahren sowie verbindlichen Erreichbarkeitsvorgaben ist von zentraler Bedeutung für die Steuerung von Notfallpatienten. Hier sollten jedoch zwingend wissenschaftlich evaluierte Instrumente zur Anwendung kommen.
Wichtig ist die systematische Erfassung und Evaluation der Ersteinschätzung und Vermittlungsentscheidung, um auch hier eine kontinuierliche Qualitätssicherung zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang sollten interoperable Dokumentationsstandards und Schnittstellen verpflichtend vorgesehen werden.
Nr. im Entw.
- 17
Vorschrift
- § 123
Stichwort: Integrierte Notfallzentren (INZ)
- Zusammensetzung und grundsätzliche Funktion
- Notaufnahme, Notdienstpraxis, Ersteinschätzungsstelle - optional Kooperationspraxis / statt Notdienstpraxis MVZ oder Vertragsarztpraxis in unmittelbarer Nähe
- Ersteinschätzung und Steuerung innerhalb des INZ, gegenseitige Datenübermittlung
- Versorgungsvertrag mit Apotheken
- Telemedizinische Anbindung an Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin sowie für Psychiatrie und Psychotherapie
- Berichtspflicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zur Entwicklung von INZ
Stellungnahme
Die Einrichtung der INZs entspricht der Versorgungsnotwendigkeit.
Die nahtlose, rückverfolgbare und digitale Fallübergabe stellt hohe und zugleich wichtige Anforderungen an die IT-Infrastruktur, insbesondere die Kommunikation zwischen den Informationssystemen im Krankenhaus, dem Rettungsdienst und dem ambulanten Versorgungssektor hinsichtlich Interoperabilität und Informationssicherheit.
Die verpflichtende standardisierte digitale Ersteinschätzung und die digitale interoperable maschinenlesbare Fallübergabe sind aus Sicht der Patient:innensicherheit zu begrüßen. Sie bietet die Chance zur evidenzbasierten Patient:innensteuerung. Jedoch muss die Nutzung von wissenschaftlich validierten Ersteinschätzungsinstrumenten verpflichtend sein.
Bei der digitalen standardisierten Ersteinschätzungen an INZ-Standorten oder Notaufnahmen ohne INZ-Standort dürfen Fehleinschätzungen bei sachgerechter Systemanwendung nicht zu Lasten der Mitarbeitenden gehen, um Defensiveinsatz (Übertriage) zu vermeiden. Dazu bedarf es hinsichtlich der Haftung bei Steuerung nach standardisierter Ersteinschätzung einer eindeutigen gesetzlichen Regelung.
Verpflichtende telemedizinische / telefonische Konsilanbindung an Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin sowie Psychiatrie / Psychotherapie adressiert zentrale Versorgungslücken. Jedoch sind hier Mindeststandards für die Dokumentation der Konsilprozesse zu etablieren, um eine interoperable Befundanforderung und Übermittlung etablieren zu können.
Die in § 123 Abs. 5 vorgesehene Berichtspflicht der KBV zur Entwicklung der INZ gegenüber dem BMG stellt im Kern eine Selbstberichterstattung der primär verantwortlichen Akteure dar. Angesichts der erheblichen strukturund vergütungsrelevanten Steuerungswirkungen der INZ (Patientenlenkung, Öffnungszeiten, Kooperationsmodelle, Fallverlagerungen) ist eine reine Selbstkontrolle weder methodisch ausreichend noch geeignet, eine unabhängige Bewertung von Zielerreichung, Patient:innensicherheit und Versorgungsqualität sicherzustellen.
Wir regen daher an, die Berichtspflicht durch neutrale, wissenschaftlich ausgewiesene Evaluationsinstanz zu ergänzen bzw. zu ersetzen (z. B. im Rahmen eines unabhängigen Evaluationsauftrags an ein wissenschaftlich geführtes Institut). Die hierfür im Gesetz bereits angelegte Datengrundlage (digitale Notfalldokumentation, digitale Fallübergaben, Kapazitäts- und Inanspruchnahme Daten) sollte zentral, interoperabel und für eine unabhängige Begleitforschung nutzbar gemacht werden.
Nur eine externe Evaluation kann belastbar prüfen, ob die Reform intendierten Effekte (bedarfsgerechte Steuerung, Entlastung der Notaufnahmen, Verbesserung von Prozess- und Outcome-Qualität) erreicht oder ob frühzeitige Nachsteuerungen erforderlich sind.
Nr. im Entw.
- 17
Vorschrift
- § 123b
Stichwort
- Integrierte Notfallzentren für Kinder und Jugendliche (KINZ), Sonderregelungen für Standortbestimmung
Stellungnahme
Wir begrüßen die Berücksichtigung der besonderen Anforderungen von Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Notfallmedizinischen Versorgung.
Nr. im Entw.
- 17
Vorschrift
- § 123c
Stichwort: Ersteinschätzung
- Vergütung ambulanter Behandlung für Krankenhäuser ohne INZ nur noch nach Ersteinschätzung, die die Unzumutbarkeit einer Verweisung an INZ festgestellt hat
- Richtlinie des G-BA zu Vorgaben für standardisierte digitale Ersteinschätzung
- Richtlinie regelt auch Mindestausstattungsanforderungen für Notdienstpraxen
- Berichtspflicht G-BA zu Auswirkungen der Ersteinschätzung
- EBM für Ersteinschätzung
Stellungnahme
Entscheidend ist, dass die Richtlinie zur standardisierten digitalen Ersteinschätzung den Einsatz validierter Ersteinschätzungsinstrumente mit nachgewiesener Güte empfiehlt.
Wichtig: Die Kriterien für die Evaluation der Instrumente sollte unter Einbeziehung der Fachgesellschaften und einschlägigen Verbünde erfolgen. Sie sind in der Praxis durch eine prospektive Evaluation auf mögliche Fehlsteuerungs- / Fehleinschätzungsraten zu evaluieren und kontinuierlich zu überprüfen.
Die Entwicklung und Bewertung validierter Ersteinschätzungsverfahren ist primär eine fachlich-wissenschaftliche Aufgabe und erfordert die substanzielle Mitwirkung der hierfür zuständigen Expertengremien.
Wir empfehlen, für die Entwicklung von validierten Ersteinschätzungsverfahren die Beauftragung der AWMF Fachgesellschaften durch den GBA.
Nr. im Entw.
- 18
Vorschrift
- § 133
Stichwort: Versorgung mit Leistungen der medizinischen Notfallrettung
- Nur nach Landesrecht vorgesehene oder beauftragte Leistungserbringer
- Vergütungsverträge für Leistungen nach SGB V erforderlich
- Transparenzpflicht bezüglich Kalkulationen
- Berücksichtigung der Rahmenempfehlungen nach § 133b Abs. 1 SGB V
- Schiedseinrichtung bei Nichtzustandekommen
- Entsprechende Geltung für Krankentransporte
- Übergangsregelung
Stellungnahme
Die Leistungsfokussierung auf nach Landesrecht vorgesehene/beauftragte Träger ist positiv zu bewerten und berücksichtigt die planerische Verantwortung der Länder. Positiv sind differenzierte Vergütungsverträge, wobei die Vergütung auf Basis vollständig, elektronisch nachvollziehbarer Kalkulationsdaten erfolgen muss. Somit werden Kosten- und Leistungsdaten mit Qualitätsdaten verknüpft.
Die Spezifikation für interoperable Datensätze / digitale Dokumentation setzt Fachexpertise für die in der Notfallmedizin bestehenden Register-/Dateninfrastrukturen voraus. Hier ist die Fachexpertise der Fachgesellschaften und Initiativen gefragt, die sich bereits seit mehreren Jahren erfolgreich mit dem Thema beschäftigen. Diese sind einzubinden.
Nr. im Entw.
- 18
Vorschrift
- § 133a
Stichwort: Gesundheitsleitsystem
- Kooperationsvereinbarung zwischen Rettungsleitstelle 112 und Akutleitstelle 116117 auf Antrag der Rettungsleitstelle
- Verbindliche Absprache, wer welche Fälle übernimmt, und Abstimmung der Abfragesysteme
- Medienbruchfreie Übergabe von Fällen und Daten
- Schnittstelle durch KBV zur Verfügung zu stellen
- Gemeinsames Qualitätsmanagement der Kooperationspartner
- Vermittlung von Krankentransporten und medizinischen komplementären Diensten sowie sonstigen komplementären Diensten für vulnerable Gruppe oder krisenhafte Situationen
- Bericht KBV zu Entwicklung der Gesundheitsleitsysteme
Stellungnahme
Das Gesundheitsleitsystem als eine Grundlage für einheitliche und sichere Lotsenfunktion, Kooperationsvereinbarungen, Abstimmung der Abfragesysteme und klare Zuständigkeitsregelung sind als positiv zu werten.
Die Spezifikation der digitalen Vernetzung / Schnittstellenarchitektur sollten mit Rahmenempfehlungen nach § 133b und auf vorhandenen Standards (DIVI-Notfalldatensatz) aufbauen.
Die Berichtspflicht ist ein wichtiger Transparenz- und Steuerungshebel. Diese sollte durch die systematische Auswertung von Routinedaten erfolgen. Somit können Auswirkungen auf Inanspruchnahme, Fehlallokation, Ressourcenverbrauch evaluiert und für die Weiterentwicklung verwendet werden.
Nr. im Entw.
- 18
Vorschrift
- § 133b
Stichwort: Rahmenempfehlungen zur medizinischen Notfallrettung
- Gremium bei GKV-SV, paritätisches Stimmgewicht zwischen GKV-SV und Ländervertretern, nicht stimmberechtigte Vertreter von Spitzenverbänden der Leistungserbringer und Fachverbänden und Fachgesellschaften sowie BMG
- Fachliche Rahmenempfehlungen zur medizinischen Notfallrettung; bei Nichtzustandekommen Ersatzvornahme BMG
- Empfehlungen zur Übermittlung der Daten der Leistungserbringer zur Qualitätssicherung, Rechtsverordnung durch BMG
- Spezifikationen für eine strukturierte, einheitliche und digitale Dokumentation und Kommunikation unter Beteiligung von KBV, DKG und KIG, Rechtsverordnung durch BMG
Stellungnahme
Es ist kritisch zu sehen, dass die Fachverbände und Fachgesellschaften nur beratend (2) und (4) und nicht stimmberechtigt bei der strukturprägenden Ausgestaltung der medizinischen Notfallrettung sind, obwohl es hier um wesentliche fachliche Standards, Qualitätsindikatoren (QI), Dokumentationsanforderungen etc. geht.
Dies sollte dringend korrigiert werden. Es muss geregelt werden, dass ohne eine nachweislich einvernehmliche Position der einschlägigen Fachgesellschaften keine fachlichen Rahmenempfehlungen verabschiedet werden. Die Ersatzvornahme durch das BMG muss sich an evidenzbasierte Kriterien halten und sollte an die dokumentierte Beteiligung der Fachgesellschaften gebunden werden.
Die Ausarbeitungen von Empfehlungen zur Datenübermittlung der Leistungserbringer zur Qualitätssicherung sowie die Spezifikation für eine einheitliche, strukturierte digitale Dokumentation und die Überführung in eine Rechtsverordnung ist von zentraler Bedeutung.
Die Entwicklung von Qualitätsindikatoren in der medizinischen Notfallrettung kann nur über ein iteratives Vorgehen erfolgen unter Einbindung eines interoperablen Datensatzes (DIVI Notfalleinsatzprotokoll 7.0 bzw. MIND 7.0), prospektive Datenerhebung und darauf aufbauender Entwicklung und Evaluation der Indikatoren.
Die geforderten digitalen Lösungen zur Patient:innensteuerung und Zuweisung in geeignete Versorgungseinrichtungen anhand eines softwaregestützten Behandlungskapazitäten-Nachweises sind grundsätzlich zu unterstützen.
Die Verknüpfung der Dokumentation der medizinischen Notfallrettung mit bestehenden bzw. zu entwickelnden Krisen- und Einsatzregistern sollte von Beginn an mitgedacht werden, um auch Großschadenslagen, Krisen- und Katastrophen sowie LV/BV-Lagen entsprechend abzubilden.
Nr. im Entw.
- 18
Vorschrift
- § 133c
Stichwort: Digitale Kooperation im Rahmen der Notfall- und Akutversorgung
- Verpflichtende digitale Notfalldokumentation für alle Beteiligten der Notfall- und Akutversorgung
- Verpflichtende Nutzung eines Versorgungskapazitätennachweises für Krankenhäuser und Leistungserbringer der medizinischen Notfallrettung
- Anforderungen an auf digitalen Anwendungen basierende Ersthelferalarmierungssysteme
Stellungnahme
Die im Entwurf skizzierten Digitalisierungsvorhaben (TI-Anbindung, digitale Notfalldokumentation, Kapazitätsnachweis, Datenübermittlung zur Qualitätssicherung) sind in der Summe betrachtet äußerst ambitioniert, insbesondere vor dem Hintergrund der vorgesehenen Umsetzungszeiträume sowie des sehr heterogenen digitalen Reifegrades in Rettungsdiensten, Notaufnahmen und vertragsärztlicher Versorgung. Auf der anderen Seite wird die Notfallreform nur mit einer in der Region vollständigen Digitalisierung in der Praxis umsetzbar sein. Daher sollten dem Gesetz realistische Zeitpläne zugrunde gelegt und die Abhängigkeit von Meilensteinen bei der Umsetzung Rechnung getragen werden.
Die verpflichtende Nutzung eines Versorgungskapazitätennachweises in Echtzeit ist für eine zielgerichtete Patient:innensteuerung zu begrüßen. Hier müssen jedoch die hinterlegten Versorgungsressourcen moderner interdisziplinärer Notaufnahmestrukturen folgen. Hier ist die Berücksichtigung der Empfehlungen der Fachgesellschaften verbindlich einzubeziehen.
Die Einbindung digitaler Ersthelferalarmierungssysteme ist positiv hervorzuheben. Diese Systeme sollten über offene Schnittstellen an Leitstellen/ Rettungsdienst- und Notaufnahmesysteme angebunden werden und in die digitale Notfalldokumentation integriert werden, auch um die Wirksamkeit von Ersthelfendenmaßnahmen regelhaft zu evaluieren. Hierfür bieten sich ebenfalls etablierte Registerstrukturen an.
Nr. im Entw.
- 18
Vorschrift
- § 133d
Stichwort
- Datenübermittlung zur Qualitätssicherung durch alle Leistungserbringer der medizinischen Notfallrettung, Auswertung und Veröffentlichung in anonymisierter Form durch Datenstelle beim GKV-SV
Stellungnahme
Entscheidend ist, wie eine sektorenübergreifende Datenbasis ausgestaltet wird. Die per Rechtsverordnung festzulegenden Datensätze sollten konsequent auf den bereits etablierten und fachgesellschaftlich konsentierten Standards aufbauen. Die Möglichkeit der Identifikation der einzelnen Leistungserbringer bzw. der Art von Leistungserbringern (Notaufnahme / KV-Notfallpraxis / Kooperationspraxis) ist dabei zwingende Voraussetzung für die Nachvollziehbarkeit von Patient:innenwegen und fortlaufende Evaluation.
Die Festlegung der auszuwertenden QIs sollte in enger Kooperation mit den Fachgremien / Fachgesellschaften sowie unter Einbindung bestehender Register- und Forschungsinfrastrukturen erfolgen.
Neben der anonymisierten Veröffentlichung muss ein pseudonymisiertes einrichtungsbezogenes Feedback an die beteiligten Akteure in der Notfallversorgung vorgesehen werden. Somit werden risikoadjustierte Vergleiche und gezielte Qualitätsverbesserung ermöglicht. Die Datenstelle beim GKV-Spitzenverband sollte daher auf die bestehende, TI-integrierbare Infrastruktur und deren standardisierte Datensätze und Governance-Strukturen aufsetzen.
Zu (1) Das Intervall der Übermittlung der Daten an die Datenstelle zur Ermittlung der Leistungsqualität erscheint wenig ambitioniert, da wesentlich kürzere Berichtsintervalle durch nahezu Echtzeitübermittlung möglich sein sollten.
Die Datenstelle sollte sich zur Auswertung der Leistungsqualität fachliche Expertise durch Unterstützung der Fachgesellschaften einholen.
Nr. im Entw.
- 18
Vorschrift
- § 133e
Stichwort
- Verpflichtender Anschluss an TI für Leistungserbringer der medizinischen Notfallrettung und Finanzierung der Ausstattungs- und Betriebskosten, Finanzierungsvereinbarung von GKV-SV, PKVVerband sowie maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene
Stellungnahme
Der verpflichtende Anschluss der Leistungserbringer der medizinischen Notfallrettung an die TI ist aus Sicht einer durchgängig digitalen Rettungskette sinnvoll. Ansonsten bleiben ePA, eMP, KIM etc. im Rettungsdienst und in der Notfallmedizin strukturell unzulänglich.
Die praktische Umsetzbarkeit innerhalb des vorgesehenen Zeitraums ist als sehr kritisch zu bewerten. TI im Rettungsdienst bedeutet nicht nur die Implementierung eines Konnektors, sondern die Implementierung eines flächendeckenden, mobilen, ausfallsicheren und zertifizierten Infrastruktursystems inklusive Hardwarekomponenten, Identitäts- und Zugriffsmanagement etc. Die Umsetzung gestaltet sich allein schon in den stationären Einrichtungen als äußerst herausfordernd.
Nr. im Entw.
- 18
Vorschrift
- § 133f
Stichwort: Förderung der Digitalisierung der medizinischen Notfallrettung
- Finanzierung von Investitionen in digitale Infrastruktur von 2027 bis 2031 aus dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität des Bundes
- Abwicklung durch GKV-SV, Richtlinie im Benehmen mit den Ländern zur Durchführung des Förderverfahrens und zur Übermittlung der vorzulegenden Unterlagen
- Bezeichnete Investitionen können ausschließlich über diesen Weg gefördert werden
Stellungnahme
Die Anschlussfinanzierung ist positiv zu werten, allerdings ist Zeitrahmen und Exklusivität der Förderung kritisch. Durch den Start der Förderung 2027 besteht das Risiko der Unterfinanzierung in der frühen Umsetzungsphase, denn der TI-Anschluss der Leistungserbringer soll früher verpflichtend sein.
Die Festlegung, dass die Investitionen ausschließlich bis 2031 geltend gemacht werden, erschwert eine nachhaltige Erneuerung sowie den Betrieb/Weiterentwicklung der Infrastruktur.
Gefördert werden sollten lediglich Projekte, die die in § 133c geforderten digitalen notfalldokumentations- und Kapazitätsnachweissystem kompatible zu den noch zu definierenden bundeseinheitlichen Schnittstellen und Standarddatensätzen umsetzen und eine spätere Nutzung in qualifizierten Registern gemäß Medizinregsitergesetz technisch vorsehen.
Nr. im Entw.
- 18
Vorschrift
- § 133g
Stichwort
- Koordinierende Leitstelle: Möglichkeit für Landesbehörden, einer einzelnen Leitstelle überregionale Aufgaben zuzuweisen
Stellungnahme
Dies ist aus Sicht der Notfall- und Akutmedizin sinnvoll, da somit die länderübergreifende Steuerung, insbesondere bei Großschadenslagen, erleichtert wird. Entscheidend sind klar definierte Indikationen, interoperable IT-Strukturen und transparente Qualitätsvorgaben.
Bei den Planungen zentraler Strukturen sollte die geopolitische Lage und die Ausfallsicherheit dieser kritischen Infrastruktur betrachtet werden. Hier sind mehrere Leitstellen, die jeweils die Funktion der anderen Leitstellen übernehmen können (Redundanz) unter dem Aspekt der zivilen Sicherheit / Resilienz der kritischen Infrastrukturen zu bevorzugen.
Nr. im Entw.
- 23
Vorschrift
- § 354
Stichwort
- Fernzugriff auf ePA durch Leitstellen
Stellungnahme
Dieser Aspekt bedeutet einen relevanten Zugewinn an Patientensicherheit. Gleichzeitig ist es ein sensibler Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht. Daher müssen die Notfallsituationen klar definiert sein.
Da es nahezu unmöglich ist zu entscheiden, welche Informationen in einem Notfall relevant sind, sollten die sensiblen Daten dadurch geschützt werden, dass die Datenzugriffe protokolliert werden und die Patient:innen über den Zugriff informiert werden. Der Zugriff außerhalb der Zwecke der Notfallversorgung ist äquivalent zu §203 StGB oder §7 GDNG unter Strafe zu stellen. So sind Verstöße zu ahnden, ohne dass ein lebensrettender Zugriff erschwert wird.