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Biobanken aufbauen – aber wie? Gebündelte Erfahrung aus der TMF stößt auf großen Wissens- und Unterstützungs­bedarf

BMBF richtet Info­veranstaltung zum Aufbau und Betrieb von Biomaterial­banken aus

Plenum

Rund 80 Forscher waren der Einladung des BMBF nach Berlin gefolgt. © TMF e.V.

Paraffin oder Tiefkühlung? Minus 80 oder doch besser minus 196 Grad Celsius? Die Fragen, die in der Informationsveranstaltung „Biomaterialbanken“ am 14. September in Berlin diskutiert wurden, nahmen ganz praktische organisatorische, aber auch ethische und rechtliche Aspekte des Umgangs mit Biomaterialien in den Blick. Rund 80 Forscher und Biobanken-Betreiber aus ganz Deutschland waren der Einladung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefolgt. Mehrere Vertreter von TMF-Arbeitsgruppen brachten als Referenten die gebündelten Erfahrungen und Ergebnisse der bisherigen gemeinsamen Arbeit in die Veranstaltung ein.

Dr. Claudia Herok

Dr. Claudia Herok (BMBF) begrüßte die Teilnehmer des Workshops und betonte die Bedeutung von Austausch und Vernetzung im Bereich Biobanken wie in der medizinischen Forschung insgesamt. © TMF e.V.

In ihrer Begrüßung betonte Dr. Claudia Herok aus dem Referat Gesundheitsforschung des BMBF, dass die Vernetzung von Biobanken eine wesentliche Voraussetzung dafür sei, die vorhandenen Sammlungen effektiv nutzen zu können. Darauf habe Ende 2008 auch der Gesundheitsforschungsrat hingewiesen. Mit Veranstaltungen wie dieser unterstütze das BMBF diesen Prozess.

Wie und bei welcher Temperatur man die Biomaterialien lagern sollte, hängt in erster Linie davon ab, was man später daran untersuchen möchte. Darauf wies PD Dr. Michael Hummel (Charité, Berlin), der Leiter der TMF-Arbeitsgruppe Biomaterialien hin. Dr. Dr. Michael Kiehntopf (Univ. Jena), der die Biobank des Kompetenznetzes Sepsis vorstellte, berichtete über genaue Untersuchungen zur Temperaturschwankung im Kühlgefäß und in den Proben bei Pobenentnahme. Um diese Schwankungen und die damit einhergehenden molekularen Veränderungen der Proben zu vermeiden, ist am Standort Jena kürzlich die erste vollautomatisierte -80°C-Biobank in Deutschland zur Lagerung von mehr als 500.000 Einzelproben aufgebaut und in Betrieb genommen worden.

Um die Verwaltung von Biomaterialbanken und ihre Nutzung für die Forschung wirkungsvoll unterstützen zu können, ist der Einsatz von IT-Werkzeugen unabdingbar. Dabei müssen verschiedene Infrastrukturkomponenten miteinander verknüpft und über Schnittstellen mit den an der jeweiligen Institution vorhandenen Systemen verbunden werden. Professor Dr. Hans-Ulrich Prokosch (Univ. Erlangen) stellte die Ergebnisse einer Analyse der TMF vor, die aufzeigt, für welche Komponenten aus den Arbeiten der TMF und anderer Partner bereits Lösungen vorhanden sind. Eine Lücke besteht dabei insbesondere noch für die IT-Unterstützung der Biobank-Betreiber.

Diskussion

Die Möglichkeit, mit den Referenten praktische Fragen zum Aufbau und Betrieb von Biobanken zu diskutieren, wurde rege genutzt. © TMF e.V.

Grundvoraussetzung für die Konzeption von IT-Systemen für Biobanken sind die TMF-Datenschutzkonzepte, die Professor Dr. Klaus Pommerening (Univ. Mainz), Leiter der TMF-Arbeitsgruppe Datenschutz erläuterte. Eine große Rolle spielt auch die Wahrung der Persönlichkeits- und Eigentumsrechte der Spender oder die Wahl einer geeigneten Trägerschaft für eine Biobank. Prof. Dr. Michael Krawczak (Univ. Kiel), stellvertretender Leiter der Arbeitsgruppe Biomaterialbanken, fasste die Ergebnisse mehrerer TMF-Projekte zusammen, in denen Rechtsgutachten, Checklisten und Musterverträge zu diesen Fragestellungen entwickelt wurden. Da die wissenschaftlichen Kooperationen nationale Grenzen häufig überschreiten, hat die TMF mittlerweile auch begonnen, die rechtlichen Grundlagen einer EU-weiten Kooperation aufzuarbeiten. Bisher ist die deutsche Situation mit der in vier weiteren europäischen Ländern verglichen worden (UK, Niederlande, Österreich, Schweiz). Wie Prof. Dr. Jürgen Goebel (Kanzlei Goebel & Scheller) ausführte, ist die Rechtslage in den gewählten Ländern recht homogen. Es sollte jedoch auf jeden Fall auf klare vertragliche Regelungen geachtet werden.

Zunehmend arbeiten medizinische Forscher daran, Biobanken gemeinsam zu nutzen und die Proben für definierte Projekte verfügbar zu machen. Dies geschieht erfolgreich bereits auf lokaler Ebene, wie das Beispiel der Gewebebank des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen in Heidelberg deutlich machte. Prof. Dr. Peter Schirmacher (Univ. Heidelberg) berichtete darüber hinaus über eine rege Zusammenarbeit in der Arbeitsgemeinschaft der Comprehensive Cancer Centers (CCC), an der sich bereits mehr als 20 Zentren beteiligten.

CRIP als zentrale Infrastruktur für die vernetzte biomedizinische Forschung auf der Basis von Gewebebanken geht einen Schritt weiter und verknüpft derzeit vier Biodatenbanken an verschiedenen Standorten. Der Nutzer kann anhand seiner Projektspezifika in der Datenbank suchen und herausfinden, wie viele Fälle oder Proben seiner Spezifikation entsprechen. Dabei sieht er jedoch weder einzelne Fälle noch Angaben zum Inhalt einzelner Biobanken. Dies betonte die CRIP-Leiterin Dr. Christina Schröder. Die CRIP-Infrastruktur könnte auch als Prototyp für die Vernetzung von Biobanken auf europäischer Ebene dienen. Entsprechende Überlegungen gibt es im Zusammenhang mit dem europäischen Infrastrukturprojekt BBMRI, das von Dr. Melanie Waldenberger (Helmholtz-Zentrum München) vorgestellt wurde.

Zwingend notwendig ist für alle weiteren Aktivitäten – auch vor dem Hintergrund knapper Ressourcen – eine Übersicht über vorhandene Biobanken, deren Probenbestände und die jeweils praktizierten Qualitätssicherungsverfahren. Neue Projekte müssen Informationen zu bereits existierenden Sammlungen, Zugang zu Proben und Daten sowie zu Erfahrungen aus erfolgreichen Projekten erhalten. Auf diese Notwendigkeit hat auch der Gesundheitsforschungsrat im Dezember 2008 hingewiesen und unter anderem den Aufbau eines nationalen Biobanken-Registers gefordert. Wie Sebastian C. Semler, wissenschaftlicher Geschäftsführer der TMF darstellte, hat die TMF bereits 2007 begonnen, ein solches Register vorzubereiten. Unter www.biobanken.de steht ein erstes Web-basiertes Adressverzeichnis medizinisch relevanter Biobanken in Deutschland zur Verfügung. Ein Konzept für ein öffentliches, uneingeschränkt zugängliches nationales Biobanken-Register ist in einen Förderantrag an das BMBF eingeflossen, der derzeit zur Begutachtung ansteht.

Gruppenfoto der Referenten

Die Referenten des Workshops (v.l.n.r): Sebastian C. Semler (TMF e.V., Berlin), PD Dr. Michael Hummel (Kompetenznetz Maligne Lymphome / Charité, Berlin), Dr. Christina Schröder (Fraunhofer IBMT, Potsdam-Golm), Prof. Dr. Jürgen Goebel (Kanzlei Goebel & Scheller, Homburg), Dr. Dr. Michael Kiehntopf (Kompetenznetz Sepsis / Universität Jena), Prof. Dr. Michael Krawczak (NGFN, Universität Kiel), Dr. Melanie Waldenberger (Helmholtz Zentrum München), Prof. Dr. Hans Ulrich Prokosch (EB-Netz, Universität Erlangen), Prof. Dr. Peter Schirmacher (Comprehensive Cancer Center, Universität Heidelberg), Prof. Dr. Klaus Pommerening (Kompetenznetz Pädiatrische Onkologie und Hämatologie / Universität Mainz). Direkter Kontakt zu den Referenten: Siehe Angaben in den Präsentationsfolien oder Vermittlung über die TMF-Geschäftsstelle. © TMF e.V.

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