Text-Mining ist eine vielversprechende Methode

Teilnehmer der Podiumsdiskussion stellten den Mehrwert von Text-Mining in den Mittelpunkt. © TMF e.V.
Wo stehen wir im Bereich von Text-Mining in der medizinischen Forschung? – das war die zentrale Frage beim TMF-Workshop zum Text-Mining am 28. Januar 2015 in Berlin. Im Rahmen des Workshops tauschten sich Forscher, Antragsteller, Fördermittelgeber, Industriepartner und Datenschützer zu den neuen Entwicklungen beim Einsatz von Text-Mining in der aktuellen klinischen Forschung aus. „Wir müssen in der Forschung darauf achten, den Mehrwert von Text-Mining transparenter herauszustellen und ihn besser zu kommunizieren“, betonte Prof. Dr. Ulrich Sax (Universitätsmedizin Göttingen) in seinem Abschluss-Statement zur Veranstaltung. Dabei sei es wichtig, Anwendungsszenarien zu definieren, für die die Effektivität der syntaktischen und semantischen Erschließung klinischer Texte dargestellt und auch beziffert werden kann.

Das Publikum des Workshops. © TMF e.V.
Text-Mining beschleunigt Arbeitsprozesse, darüber waren sich die Referenten und Teilnehmer einig. Deutlich wurde dies auch anhand der von Dr. Philipp Daumke (Averbis) einführend vorgestellten Ergebnisse und Anwendungsfälle des cloud4health-Projekts, an dem die TMF beteiligt ist. Die Sekundärnutzung klinischer Daten ist ein wichtiges Feld für die medizinische Forschung. Viele Informationen sind aber vor allem in den unstrukturierten Freitexten zu finden. Aufgabe des cloud4health-Projekts war es deshalb, einen Ansatz für die Nutzung unstrukturierter Daten durch den Einsatz von Text-Mining zu entwickeln. „Das Ergebnis zeigte uns, dass cloud4health Smart-Data-Auswertungen auf medizinischen Daten ermöglicht und hierfür eine sichere Cloud-Architektur bereitstellt“, so Daumke.
Spezielle Anforderung der Forschung: Anonymisierung von Texten mit Text-Mining-Methoden
Im Rahmen des cloud4health-Projekts wurde ein De-Identifikationstool (DeID) entwickelt. Die Software ermöglicht, dass personenbezogene Daten in klinischen Texten mit hoher Trefferquote halb-automatisch gefunden und für die Anonymisierung vollständig eliminiert werden können. Krankenhäuser können mit Hilfe des De-Identifikations-Werkzeugs Arztbriefe anonymisieren und für die Verwendung außerhalb der Klinik rechtskonform aufbereiten. Datenschützer hätten das Programm insgesamt positiv bewertet, halten aber die Ergänzung weiterer Schutzmaßnahmen für notwendig, betonte Daumke.
Auch wenn die Sekundärnutzung klinischer Daten für die Forschung oder Qualitätssicherung nichts Neues ist, so steht die elektronische Auswertung von unstrukturierten Texten hierfür, das Text-Mining, noch relativ am Anfang seiner Entwicklung. Dr. Philipp Senger vom Fraunhofer-Institutfür Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen SCAI bescheinigte der Methode jedoch großes Potential. Er stellte die im Rahmen des Projekts cloud4health erarbeiteten Anwendungsbeispiele vor, in denen mit Text-Mining der Aufbau eines Endoprothesenregisters, die Plausibilitätsprüfung von Medikamentenverordnungen oder der Aufbau von Biodatenbanken unterstützt werden konnte. Er resümierte, dass vollständige funktionelle Workflows für alle Anwendungsszenarien erarbeitet werden konnten. Seiner Einschätzung nach können solche Anwendungen mehr oder weniger „Out of the Box“ von anderen Kliniken übernommen werden.
Datenschutz und Datensicherheit sind zentrale Themen beim Text-Mining
Anonymisierung und Pseudonymisierung sind einige der wichtigen Bestandteile des im Projekt cloud4health von der TMF entwickelten Datenschutzkonzepts. Ein weiterer zentraler Baustein war die Implementierung einer sicheren Cloud-Infrastruktur entlang eines speziell hierfür entwickelten IT-Sicherheitskonzepts. Wichtige Vorgaben waren die manuelle Freigabe der Daten durch die Kliniken nach interner Abstimmung, die sichere Transport- und Dokumentenverschlüsselung, eine mandantenfähige Cloud und die sichere Löschung aller Daten in der Cloud nach der Prozessierung. Die Erfahrungen zeigten, dass eine sichere Nutzung einer solchen Cloud möglich ist, betonte Steffen Claus vom Institut SCAI, welches für das Sicherheitskonzept und die Umsetzung der Cloud im Projekt verantwortlich zeichnete.
Anwendung von Ontologiesystemen und Informationsextraktion
Studienprojekte am Institut Fraunhofer FOKUS arbeiten bei der syntaktischen und semantischen Erschließung klinischer Texte mit Ontologie-Diensten. Diese dienen seit langem der Klassifikation von unstrukturierten und semi-strukturierten Dokumenten. Das klassische Dokumenten-Retrieval bereichern sie um eine semantische Suche, die es beispielsweise ermöglicht, dass bei einer Suche nach dem Begriff „Gehirn“ auch Dokumente gefunden werden, in denen dieser Begriff nicht vorkommt, die aber von Alzheimer- oder Schlaganfall-Patienten handeln. Hierfür müssen die Ontologie-Dienste die semantischen Beziehungen zwischen den verschiedenen Begriffen und damit auch eine „semantische Nähe“ abbilden können. Erste Studien hätten zu sehr guten Ergebnissen bei der Klassifikation und dem Retrieval von eHealth-Dokumenten auf dieser Basis geführt, so Dr. Andreas Billig vom Fraunhofer FOKUS.
Martin Toepfer vom Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz und Angewandte Informatik der Universität Würzburg berichtete vom Einsatz der Informationsextraktion aus semi-strukturierten Befundberichten zur Unterstützung eines klinischen Data Warehouse. Notwendig sei die Hinzunahme der aufwändigen Texterschließung, da wichtige Informationen für Anwendungsfälle, wie beispielsweise die Rekrutierungsunterstützung in klinischen Studien, nicht in den bereits strukturiert erfassten Daten vorlägen. Neben einer regelbasierten Segmentierung der Dokumente sei jedoch auch die Implementierung domänenspezifischer Terminologien notwendig, um z.B. in einem Bereich wie der transthorakalen Echokardiographie die notwendigen Informationen aus den Dokumenten extrahieren zu können. Für die eigentliche Volltextsuche setze man Apache Lucene ein. Hinsichtlich der Genauigkeit der extrahierten Informationen habe man sehr gute Erfahrungen gemacht, allerdings immer nur bezogen auf die jeweilige, durch eine selbst entwickelte Terminologie abgedeckte, klinische Subdomäne.
Text-Mining in anderen Bereichen
Einen „Blick über den (medizinischen) Tellerrand“ hinaus bot Oliver Schmitt von der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung Göttingen mit der Vorstellung der Integration der Open Source Software Elasticsearch in die digitale Forschungsinfrastruktur der Göttinger eResearch Alliance. Elasticsearch ermögliche es auf Basis von Apache Lucene große Mengen an Volltexten aus Originalquellen zu verarbeiten und in einer skalierbaren (Cloud-)Umgebung rasch durchsuchbar zu machen. Forschungsprojekte wie "TextGrid" (virtuelle Forschungsumgebung für Geistes- und Kulturwissenschaftler) erzielten durch Elasticsearch gute Textprocessing-Ergebnisse.
Der Bereitschaft von Softwareanbietern, die medizinische Forschung durch kommerzielle Produkte zu unterstützen, verliehen Lothar Zimmermann von 3M, Mark Neumann von ID, Christian Seebode von ORTEC und Peter Langkafel von SAP Ausdruck. Die gezeigten Beispielanwendungen waren allerdings nur zum Teil dem Bereich der medizinischen Forschung zuzuordnen. In der Diskussion wurde dies seitens der Softwareanbieter darauf zurückgeführt, dass Kliniken eher zu investieren bereit seien, wenn es um Erlösoptimierung als um Forschungsunterstützung gehe. Die Entwicklung der Geschäftsmodelle gerade im Bereich der Forschung sei noch nicht konsolidiert und habe bisher nicht zu den erwarteten, beziehungsweise notwendigen, Umsätzen geführt.
Abschlussdiskussion
Als Moderator der abschließenden Podiumsdiskussion zog Prof. Dr. Ulrich Sax, Sprecher der Arbeitsgruppe „IT-Infrastruktur und Qualitätsmanagement“ der TMF, das Fazit, dass der Workshop eindrucksvoll zeigen konnte, dass Text-Mining in der Unterstützung der Forschung eine sehr wichtige Rolle spielen könne. Allerdings sei es gerade in der medizinischen Forschung wichtig, den Mehrwert und die Effizienz von Text-Mining konkret zu bestimmen und diese auch den relevanten Entscheidungsträgern in den Kliniken verständlich zu vermitteln. Denn nur mit bewusster Zielsetzung und sicheren finanziellen Ressourcen könne das Potenzial, das Text-Mining bietet, ausgeschöpft werden.

Dr. Philip Senger berichtete über die Studienergebnisse vom cloud4health-Projekt. © TMF e.V.
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Vortragsfolien
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Dr. Philipp Daumke (Averbis) Vorstellung cloud4health-Projekt | 2.43 MB |
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Dr. Philipp Daumke (Averbis) Deidentifizierung frei-textlicher Daten | 649.69 KB |
Weiterführende Informationen