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Erfolg von Bio­banken auch nach ihrer wissen­schaft­lichen Nutzung bewerten

5. Nationales Biobanken-Symposium mit 250 Teilnehmern in Berlin

Logo Biobanken Symposium 2016

Erfolg von Biobanken sollte künftig nicht mehr ausschließlich nach der Menge eingelagerter Proben, sondern nach der Anzahl der für Forschungsprojekte herausgegebenen Proben bemessen werden. Diesen Vorschlag machte Dominic Allen, Chief Operating Officer der Integrated BioBank of Luxembourg (IBBL), in seiner Keynote zu Beginn des 5. Nationalen Biobanken-Symposiums, das am 7. und 8. Dezember 2016 mit rund 250 Teilnehmern in Berlin stattfand.

Publikum Biobanken Symposium 2016

© TMF e.V.

Allen berichtete über Erfolge und Misserfolge der jungen Biobank, die von der Luxemburgischen Regierung 2008 initiiert wurd und die neben Gesundheit und Forschung auch die Wirtschaft des Landes stützen soll. Als besondere Erfolgsfaktoren nannte er die gute öffentliche Förderung, die Möglichkeit, die Biobank „auf der grünen Wiese“ – und ohne direkte Einbindung in eine Klinik – neu aufzubauen, die Tatsache, dass die Infrastruktur von Beginn an als eigenständige Rechtseinheit konzipiert wurde sowie eine eigene, voll funktionsfähige Pathologie im Haus.

Allen Biobanken Symposium 2016

Dominic Allen (Integrated BioBank of Luxembourg – IBBL, Luxemburg) © TMF e.V.

Unterschätzt habe man zu Beginn allerdings die Anforderungen an das Datenmanagement und die Qualitätssicherung. Das Biobanking sei eine junge Disziplin, er rechne deshalb damit, so Allen, dass es hier noch zu erheblichen Konsolidierungs­prozessen kommen werde: Die meisten Biobanken würden demnach in finanzieller Hinsicht scheitern, und viele würden fusionieren.

Semler Biobanken Symposium 2016

Sebastian C. Semler (TMF) © TMF e.V.

Biobanken sind Daten­empfänger, Daten­halter und Daten­lieferanten

Mit Blick auf die BMBF-Förderinitiative Medizininformatik, deren Begleitstruktur gemeinsam von der TMF, dem Medizinischen Fakultätentag und dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands getragen wird, wies Sebastian C. Semler (TMF) darauf hin, dass Biobanken sowohl Proben als auch Daten lagern. Sie seien ebenso Datenempfänger und Datenhalter wie Datenlieferanten. Die Integration der Biobanken-bezogenen Strukturen an den universitären Standorten, aber auch auf der nationalen Ebene in die Medizininformatik-Initiative sei deshalb wichtig und könne über die Begleitstruktur und die TMF gewährleistet werden.

Fiedler Biobanken Symposium 2016

Prof. Dr. Martin Fiedler (Zentrum für Labormedizin und Universitätsinstitut für Klinische Chemie, Bern/Schweiz) © TMF e.V.

Die Einbindung von Biobanken in die Strukturen der Krankenversorgung und ihre zunehmende Rolle als Brücke zwischen Forschung und Versorgung war das Thema mehrerer Vorträge. Der in der Biobank Bern bereits erreichte Grad der Automatisierung und die dort vorhandenen Bedingungen, die es ermöglichen, dass Proben innerhalb von einer Stunde nach Entnahme in der Biobank eintreffen, wurden von vielen Teilnehmern mit (wohlwollendem) Neid aufgenommen. Die Interdisziplinäre Biomaterial- und Datenbank Würzburg (ibdw) entwickelt und testet derzeit eine App, die den Weg der Probe vom Entnahmezeitpunkt bis ins Labor verfolgen soll.

Pathak Biobanken Symposium 2016

Jyotishman Pathak (Weill Cornell Medical College, New York/USA) © TMF e.V.

Partizipativer Ansatz der Precision Medicine Initiative in den USA

Über die Rolle der Informatik in der Ära der Präzisionsmedizin berichtete Dr. Jyotishman Pathak vom Weill Cornell Medical College in New York (USA). Die von Präsident Barack Obama gestartete Precision Medicine Initiative, die jetzt unter der Bezeichnung „All of Us“ läuft, soll insbesondere der Diversität der nordamerikanischen Bevölkerung Rechnung tragen und verfolgt einen partizipativen Ansatz, bei dem die Teilnehmer als Partner in wichtige Entscheidungen eingebunden werden, zum Beispiel: Welche Daten sollen gesammelt werden? Welche Analysen und welche Forschungsprojekte sollen damit durchgeführt werden?

Wie sollen die Daten an die Teilnehmer zurückgespielt werden? Die Precision Medicine Initiative verspricht eine Reihe wissenschaftlicher Möglichkeiten – von der quantitativen Abschätzung der Risiken für Erkrankungen unter Berücksichtigung sowohl von Umwelt- als auch von genetischen Faktoren über die Entdeckung biologischer Marker bis zum „Empowerment“ der Studienteilnehmer, ihre Gesundheit mit Hilfe der zurückgespielten Daten und Informationen zu verbessern.

Overmann Biobanken Symposium 2016

Prof. Dr. Jörg Overman (Leibniz-Institut DSMZ − Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen, Braunschweig) © TMF e.V.

Biobanken zu Großtier­modellen und Mikro­organismen: Wichtige Ressourcen für die Human­medizin

Auch Biobanken mit Proben von Tieren können interessante Ressourcen für die translationale Medizin sein: Tiere wie Schweine oder Hunde haben entweder eine große genetische Übereinstimmung mit dem Menschen oder teilen Umgebung und Lebensstil und entwickeln außerdem häufig dieselben Erkrankungen – beispielsweise Schweine Diabetes oder Hunde neurologische Erkrankungen. Sie sind deshalb oft bessere Modelle für die Humanmedizin als z.B. die Maus, schon allein deshalb, weil man aus den Großtieren viel mehr krankheitsrelevantes Material wie z.B. Nerven oder Blutgefäße untersuchen kann.
Die Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ) lagert zum einen Pathogene, zum anderen Zelllinien ein, die von Forschern für ihre wissenschaftlichen Vorhaben bestellt werden können. Wie Prof. Dr. Jörg Overmann (DSMZ) darstellte, sei eine zentralisierte Lagerung unter anderem deshalb sinnvoll, weil ein Forschungsprojekt über eine längere Laufzeit so immer auf ein frisches Aliquot des eingelagerten Stamms zurückgreifen könne, so dass die sonst sehr schnell verlaufende genetische Veränderung verhindert oder zumindest vermindert werden kann.

Belliger Biobanken Symposium 2016

Prof. Dr. Andréa Belliger (Institut für Kommunikation & Führung IKF, Luzern/Schweiz) © TMF e.V.

Von Systemen zu Netz­werken: Es entsteht ein neues Werte­system

„Wir erleben derzeit einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel: von Systemen zu Netzwerken.“ Das sagte Prof. Dr. Andréa Belliger (Institut für Kommunikation & Führung IKF, Luzern/Schweiz) in ihrer Evening Lecture zum Thema „Digitale Transformation im Gesundheitswesen“. Dabei sei die Technik nur ein Treiber, es entstehe ein neues Wertesystem, das durch offene Kommunikation, Partizipation, Transparenz, Empathie und Autentizität geprägt sei. Sie mahnte eine Kulturveränderung gerade auch in der Wissenschaft an. Für den Umgang mit Daten müssten neue Governance-Modelle entwickelt werden.

Mayrhofer Biobanken Symposium 2016

Dr. Michaela T. Mayrhofer (BBMRI-ERIC) © TMF e.V.

Biobanken-Infra­strukturen: Gute Ausgangs­position für künftige Heraus­forderungen

Der zweite Kongresstag begann mit einem Blick auf nationale und europäische Biobanken-Infrastrukturen. Dr. Michaela T. Mayrhofer (BBMRI-ERIC) wies insbesondere auf die Bedeutung der ethischen, rechtlichen und sozialen Themen („ELSI issues“) hin, die neben den offensichtlichen technischen Herausforderungen und Qualitätsaspekten häufig wie der sprichwörtliche Elefant im Raum stünden. BBMRI-ERIC arbeitet derzeit daran, für diese Themen Services bereitzustellen.

Der German Biobank Node (GBN), der nationale Knoten für Deutschland in BBMRI-ERIC, schließt in Kürze die Projekte der ersten Förderphase ab. Dr. Cornelia Rufenach (GBN), Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) und PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf (Universitätsklinikum Jena) präsentierten Ergebnisse. So konnte im IT-Projekt beispielsweise der Proof of concept geführt werden, dass heterogene Biobanken-Infrastrukturen miteinander verknüpft werden können.

Hummel Biobanken Symposium 2016

Prof. Dr. Michael Hummel (Charité/GBN) © TMF e.V.

Prof. Dr. Michael Hummel (Charité/GBN) gab einen Ausblick auf die Weiterentwicklung: Mit der Biobanken Alliance, die 2017 starten soll, sei der Aufbau eines deutschen Biobanken-Netzwerks auch über die im Rahmen des Vorhabens geförderten Biobanken hinaus vorgesehen. Es sei eine wesentlich stärkere Einbeziehung verschiedener Interessensvertreter geplant – insbesondere der Probengeber und Nutzer. Insgesamt biete sich mit der neuen Förderung eine sehr gute Ausgangsposition für die zukünftigen Herausforderungen der biomedizinischen Forschung, so Hummel.

Das Deutsche Biobanken-Register wird derzeit mit Unterstützung durch GBN und den Nationalen Biobanken-Knoten in den Niederlanden – BBMRI.NL – umgebaut. Der Umbau ist Ende 2016 abgeschlossen und wird die Integration in das BBMRI-ERIC Directory erheblich vereinfachen. Wie das BBMRI-ERIC Directory wird das umgebaute System dann auf MOLGENIS basieren, das z. B. auch einen automatischen Datenupload vorsieht.

Hoffmann Biobanken Symposium 2016

Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann (Universitätsmedizin Greifswald) © TMF e.V.

Biobank-Gover­nance als Teil des Qualitäts­managements verstehen

In der Abschluss-Session lenkten insgesamt fünf Referenten den Blick auf ethische und regulatorische Themen. Von Zufallsbefunden in der NAKO-Gesundheitsstudie  über die Anregung, die Optimierung der Biobank-Governance als Teil des Qualitätsmanagements zu verstehen und auch wissenschaftlich zu evaluieren bis zu Fragen der Einwilligung von Patienten und Probanden in medizinische Forschungsprojekte.

Dialog mit der Industrie: Anwender wünschen sich genauere Informationen zu den Qualitäts­sicherungs­maßnahmen der Her­steller

Das Symposium gab mit Kurzpräsentationen und einer ausführlichen Diskussion auch dem Dialog mit der Industrie ausreichend Raum. Deutlich wurde, dass die Forscher als Anwender von Röhrchen, in denen die Bioproben bei Temperaturen von bis zu -180°C eingefroren werden, sich wünschen, detailliertere Informationen über die Qualitäts­sicherungs­maßnahmen und -testungen der Anbieter zu erfahren. Insbesondere wären Studien zur Haltbarkeit der Tubes über lange Zeiträume, aber auch Informationen zu den Materialeigenschaften und möglichen Interaktionen zwischen Probe und Behälter hilfreich. Das Thema soll im Biobanken-Symposium 2017 erneut aufgegriffen werden.
 

Posterpreise wurden in diesem Jahr an folgende Beiträge vergeben:

Posterpreisgewinner Biobanken Symposium 2016

Die Gewinner des Posterpreises mit Prof. Dr. Michael Krawczak von l.n.r.: Jörg Geiger (Interdisziplinäre Biomaterial- und Datenbank Würzburg - ibdw), Caroline Haase (DKMS gemeinnützige GmbH, Dresden & Tübingen), Hannes Kahrass (Institut für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin, Medizinische Hochschule Hannover), Daniel Strech (Institut für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin, Medizinische Hochschule Hannover), Prof. Dr. Michael Krawczak (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel). © TMF e.V.